Grünewald, Moritz

Moritz Grünewald an Ernst Haeckel, Mühlhausen im Elsass, 27. November 1900

Mühlhausen i/Els. D. 27. Novbr. 1900.

Herrn Professor Dr. Ernst Haeckel

Jena

Sehr geehrter Herr!

Verzeihen Sie, sehr geehrter Herr Professor, wenn ich mir als Laie die Freiheit nehme, Ihnen zufolge Ihres ausgezeichneten Werkes „Die Welträthsel“ meine volle Zustimmung und vorzüglichste Hochachtung auszusprechen. Auch Ihren „Monismus“ habe ich bereits vor Jahren größtem Interesse gelesen.

Die strenge Wissenschaftlichkeit, – soweit ich solche beurtheilen kann – die klare Folgerichtigkeit, und – der prachtvolle Mannesmuth, die erkannte Wahrheit offen auszusprechen, muß jeden vernünftig Denkenden – und zu diesen zähle ich mich – mit heller Freude erfüllen. Dies auszusprechen, und (weil ich annehme) Ihnen eine Freude zu machen, ist der Zweck meines Schreibens.

Mit der einschlägigen populären Litteratur ziemlich vertraut, bin ich – fast von Kind an – davon überzeugt, daß Alles natürliche Entwickelung ist, daß es Wunder nicht giebt.

Aus nichts wird nichts; und was ist, kann nicht in nichts vergehen. Nicht ein Streichhölzchen kann man vernichten! ||

Das Gesetz von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes, sowie, daß es keinen Stoff ohne Kraft und keine Kraft ohne Stoff geben kann, leuchtet mir klar ein. Nur den einen Gedanken, daß das Universum ohne Anfang und räumlich unbegrenzt sei, kann ich nicht fassen.

Seite 286 der „Welträthsel“ unter „Entropie des Weltalls“ befindet sich u. A. der Satz:

„Es giebt einen Anfang der Welt ebenso wenig, als ein Ende derselben.“

Während mir die (Zweite) zweite Hälfte dieses Satzes vollkommen einleuchtet, kann ich die erste nicht fassen. Ich bin überzeugt, daß es ein zeitliches Ende des Universums nicht giebt, weil es nur eine Umwandlung, nicht aber eine Vernichtung (Verschwinden) giebt. Aus kleinsten, unvollkommensten Anfängen gewiß, nur nicht ohne jeden Anfang.

Da eine kurze Erklärung – um die ich gern gebeten hätte – mir wegen der Schwierigkeit des Thema’s unmöglich erscheint, will ich mich zufrieden geben.

Wenn Sie, hochgeehrter Herr Professor, nun auch mir eine große Freude machen wollen – und wenn Sie es nicht unbescheiden von mir finden – so bitte ich um gütige Zusendung Ihres Bildes mit eigenhändiger Namens-Unterschrift und Angabe Ihres Geburtstages.||

Ihr Bild soll stets einen Ehrenplatz in meinem Hause einnehmen.

Unter Zusicherung meiner vorzüglichsten Hochachtung und Verehrung zeichne ich ergebenst

Moritz Grünewald

Kaufmann Mülhausen i/Els.

Wildemann Str. 9-11

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.11.1900
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10947
ID
10947