Scheffauer, Herman

Herman Scheffauer an Ernst Haeckel, London, 7. November 1912

Author’s Club,

2, Whitehall Court,

S.W.

London, VII. XI. XII]

Lieber Herr Professor: –

Acceptieren Sie, bitte, mein allerbesten Dank für das Buch von Walther May. Ich habe es noch nicht vollig durchgelesen, doch scheinta es mir als das gründlichste von allen die über Sie und Ihr grosses, nilartiges Schaffen geschrieben sind. Der liter-||arische Reiz von Bölsche’s Biographie fehlt, und die Genialität Breitenbachs- dagegen hat es eine schöne architektonische Symetrie- die mir (als früheren Architekt) sehr auffällt. Das Werk wird mir von grossen Nutzen sein.

Sie haben ganz Recht über Nietzsche, doch hat seine Theorie als Evolutions-Prozess der Moralität eine ge-||wisse Wahrheit, die jetzt die Eugenisten (ohne seine Amoralität beizustimmen) jetzt acceptieren. Sein ganzes Leben lang fühlte Nietzsche seine Wissenschaftliche Mangelhaftigkeit und wollte verschiedene Versuche machen sich in der Biologie b einzustudieren. Doch müssen alle Monisten anerkennen dass auch Er ein Kämpfer gegen den alten Aberglaube war.

Und jetzt müssen wir uns gegen Bergson rüsten – der Franzose mit seiner mystischen–dualistischen Lehre.

Im Falle dass ich nach Berlin komme, so mache ich ganz gewiss die Reise nach Jena um mit Ihnen ein Wenig zu plaudern. Ich lasse Ihnen aber schon zuvor wissen.

Ich hoffe das Sie mit Ausnahme die trauriges Folgen Ihres Sturzes von der Treppe, gute Gesundheit geniessen.

„How wonderful a man is Haeckel!“ schrieb mir einer Ihrer Bewundrer neulich – no man living to-day will leave a deeper impress on the world. How serene and full of joy and triumph is his old age.” Da schrieb ich ihm über „Sandalion” und wie herrlich Sie auch im Alter kämpfen!

Herzliche Grüsse von mir und meine Frau. Stets Ihr getreuer

Herman Scheffauer

a korr. aus: erscheint; b gestr.: zu

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.11.1912
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10423
ID
10423