Scheffauer, Herman

Herman Scheffauer an Ernst Haeckel, San Francisco, 13. April 1909

651 Broderick Street, San Francisco, California,

April 13th, 1909

Lieber und Werther Herr Professor:

Ihre liebenswürdige Karte kam gestern an, und heute die Pamphlette und die schöne Karten. Es hat mir alles eine grosse Freude gemacht, und ich sage Ihnen meinen tiefsten allerbesten Dank dafür. Und wann noch endlich der geliebte Hut ankommt, so a ist meine Freude ganz vollkommen. Ich fürchtete dass Sie vielleicht mein Verlangen als dumm oder gar unverschämtb hielten. Aber es scheint dass ich nicht der einzige bin! Aber wahrscheinlich bin ich der einzige Dichter der imc Englischen ein Gedicht uber den berühmten Hut machte, und ihn als symbol behandelte. Und so soll der Westen hier, der ferne Westen, auch Gelegenheit haben dises Symbol zu schätzen und zu ehren.

Hier in Kalifornien haben wir so viel Genuss von dem schönen dass d wir so zu sagen ein eigenes Volk geworden sind, in ein eigenes Land, und wir haben noch Ideale die über den Dollar hinaus gehen. Der Fortschritt seit dem Erdbeben ist enorm. Hier soll die Civilization von Europa und Amerika ihr letztes Lager und Bildungsstätte finden. Unsere Augen schauen den Orient an.

Mit dieser Post schicke ich Ihnen meine letzte Gedichte, ein Wald Drama und eine Photographie. An seite 64 des „Looms of Life“, steht dase Gedicht womit ich mir die Ehre machte es Ihnen zu widmen. Diesesf Gedicht giebtg dem Buch seinen Titel. Es ist symbolisch, wie Sie sehen, und Stoff, Energie, und Gedanke treten darin auf, und „flechten und weben“ die menschliche Leben und Schicksale. Gedanke und Kraft sind natürlich dieselben Dinge in verschiedener Form und Anwendung. Andere Verse die an den Monismus grenzen sind „Hymn to the Passing Earth“, „Symbol in the Cave“, und „Chant of Man and Woman“. Aber mein kleines „Epic of the Elements“ ist streng und poetisch-wissenschaftlich Monistisch – noch nicht publiziert.h

Vor kurzer Zeit sandte ich eine Kopie des „Looms of Life“ Gedichtes dem Dr. Paul Carus, auch eine Photographie von Ihnen (nebst mir) die ich damals in Jena nahm. Sein „Monist“ ist ein vorzügliche Schrift aber meiner Ansicht nach, nicht genügend Monistisch-populär. Es sollte mehr als Streitorgan auftreten. ||

Ich werde bald nach Neu York zurückkehren, und dann werd [!] es bald mit der Vollendung des langen Artikels angenehen. Diser Artikel (illustrirt) hoffe ich zur gleicher Zeit in Amerika und in England erscheinen zu lassen. Natürlich schicke ich Ihnen Kopien davon. Auch habe ich schon lange im Sinn ein Artikel fur die wohlbekannte „Fortnightly Review“ von London uber „The Majesty of Matter“ zu schreiben. Will mal versuchen in literarischen Kreisen die gottliche Materie von Schimpf und Spott zu befreien. Ich schreibe hie und da fur die „Fortnightly“.

Habe soeben (heute!) meinen Roman, meinen ersten, fertig gebracht. Ich heisse ihn “Niagara” – als Sinnbild von Amerika. Die Elemente des Romans sind menschliche, Historische, kosmologische, natürliche und nationale. Ja, eben heute ging mein Held herrlich zu Grunde über den Niagara Abgrund.

Ein grossartiges Monument – dieses Phyletischen Museum! – ein prachtiger Bau – den ich als früherer Architekt zu schätzen weiss. Wie viel ist Ihnen die Menschheit schuldig! Erst hatten sie eine Darwin Feier in England, aber Sie haben Ihre Feier jetzt schon, eine Welt-feier an der wir alle teil nehmen, und jedes Jahr soll i ein Jubiläum sein. Ich schätze Sie über Darwin, der nur kalt und methodisch das Wahre suchte, aber Ihre ganze Arbeiten, Triumphe und Philosophie greifen auch die Phantasiej an, indem sie das Gute und das Schöne einschliessen.

Sie verzeihen mir das ich die Schreibmaschine gebrauche; es ist nur weil meine Handschrift im Deutschen etwas undeutlich ist.

Und Sie werden mir erlauben dass ich Sie „Meister“ nenne? – den so habe ich es gemacht in der Inschrift in dem Buche, und so fühle ich das ich immer Ihr fester und getreuer Discipulus sein darf.

Und so mit allerherzlichsten Dank und Grüsse und Glückwunsche erbleibe ich wie immer, werther Herr Professor,

Ihr,

Herman Scheffauer

a gestr.: w; b korr. aus: unvershämt; c korr. aus: imm; d gestr.: wir; e korr. aus: dass; f korr. aus: dises; g korr. aus: giebe; h egh. eingef.: noch nicht publiziert.; i gestr.: nie; j korr. aus: Phanasie

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
13.04.1909
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10406
ID
10406