Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen an Ernst Haeckel, Meiningen, 25. Januar 1906
Meiningen 25 Januar | 1906
Lieber Häckel!
Durch Zusendung Ihrer Wanderbilder haben Sie mir eine große Freude gemacht und sage ich Ihnen den herzlichsten Dank dafür. Verzeihen Sie, daß ich Ihrem Ausspruche über Ihre künstlerische Leistung nicht beizupflichten vermag, vielmehr frei nach Häckel finde, daß Sie „ein guter Kerl und ein guter Musikant“ sind. Ganz besonders famos ist Ihre Darstellung der tropischen Pflanzenwelt: Dem europäischen Künstler liegt naturgemäß es nicht in der Hand, einen tropischen Baumschlag zu zeichnen und zu malen, Sie || springen mit ihm abera so vertraut um, als hätten Sie Ihr Lebtag in den Tropen gelebt, und die dortigen Baum- und Pflanzenformen seien Ihnen von jeher vertraut gewesen. Der Großherzog v. Weimar hat recht, daß er jene wunderbare Tropenwelt auch kennen lernen will. Wer weiß, vielleicht haben Ihre Blätter ihn gelockt. Ich bedaure wenigstens lebhaft bei Anblick derselben, von jener Pacht nichts gesehen zu haben; denn mit meinen fast 80 Jahren istʼs längst zu spät, sich dorthin auf zu machen.
Sehr erfreut bin ich, von Ihnen vernommen zu haben, daß Sie keine Gelenkschmerzen mehr haben. Seien Sie || nur recht vorsichtig und folgen Sie Ihrem Arztes so gut, als wenn Sie selbst niemals ein Arzt gewesen wären. Nur zu leicht kann ein solches Uebel repetiren. Meinem jüngsten Sohn, der am selben Uebel litt, hat das Bad Salsa Maggiore im Toskanischen ausgezeichnete Dienste gethan. Fragen Sie doch Ihren Arzt, was er dazu sage!b
Auch für das Büchlein und die zwei Hefte, welche Sie den Bildern beilegten, habe ich Ihnen sehr zu danken. Ich habe bis zum Abendessen gerade Zeit, das blaue Heft zu studieren und breche darum hier ab, Ihnen schnellste Genesung von ganzem Herzen wünschend. Meine Frau und ich erwidern herzlichst Ihre und Ihrer Frau Gemahlin Grüße, lieber Häckel, und bin ich
Ihr
Ihnen herzlich ergebener
Georg
a eingef.: aber; b korr. aus: Fragen Sie doch,was er dazu sage, Ihren Arzt!