Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen an Ernst Haeckel, Wildbad Gastein, 2. Juni 1904
Wildbad Gastein | 2 Juni 1904.
Lieber Häckel!
Ihr Brief, mit welchem sie Sie beiden letzten Hefte Ihrer Kunstformen der Natur nach Meiningen sandten, ist mir hierher nachgesandt worden, wo wir seit Kurzem zur Kur weilen. Empfangen Sie für Brief und alle Beilagen herzlichsten Dank! Letztere sind in Meiningen vom Hofmarschall-Amte zurückgehalten worden und werde ich sie erst in Altenstein zu sehen bekommen, wohin wir hoffen, in etwa 14 Tagen abreisen zu können.
Unvergleichlich viel schöner als der für mich sehr einförmige Aufenthalt in Cap Martin, war der auf der Villa Carlotta, wo wir vom Wetter ||ganz außerordentlich begünstigt wurden. Im Sonnenschein und bei mangelnden Platzregen entwickelten sich Rhododendron, Azaleen und ganz besonders auch die Rosen in einem Grade schön, wie ichʼs noch nicht erlebt hatte. Schade, daß Sie diese Pracht nicht sehen konnten!
Das Befinden meiner Frau war dort ein sehr befriedigendes, leider hat nun die Reise hierher bei einer ganz tropischen Temperatur die gute Einwirkung der Villa über den Haufen geworfen; sie befindet sich jetzt recht wenig gut!
Hoffentlich ist Ihrer Frau Gemahlin Unpäßlichkeit, die sie in Bordighera hatte, längst verschwunden und ist Ihr beiderseitiges Befinden ein ganz erwünschtes, so daß, was Sie betrifft, Sie keine Beschwerdniß fühlen, sich den über 100 Studiosen verständlich zu machen. Daß Jena die 1000 mit seinen Studenten überschritten hat, ist sehr erfreulich; oder sollte es daher kommen, daß die Ultramontane Partei ihre Anhänger unter den Studierenden veranlaßt, Jena aufzusuchen, um der Universität eine katholische couleur zu geben?
Haben Sie die Niederschrift des Professorʼs Nippold über die Vorkommnisse mit der Sugambria gelesen? Wenn nicht, rathe ich dazu. Sie gibt ein klares Bild der betreffenden Ereignisse, die durch die katholische Presse verdreht dargestellt wurden.
Meine Frau trägt mir herzlichste Grüße an Sie und Ihre Frau Gemahlin auf, denen ich mich anschließe. Ihnen || gute Tage wünschend, bin ich, lieber Häckel, Ihr
Ihnen herzlich ergebener
Georg
H: EHA Jena, egh., Dbl., 21,9 x 14,0 cm, 4 S., Besitzstempel, D: ungedruckt.