Heidelberg, 29 Nov 1898
Liebster Freund!
Endlich wieder einmal ein Lebenszeichen! Noch zu Ende der Ferien ward ich von einer schmerzvollen Ischias befallen, welche mich eine lange Zeit in meinem Zimmer hielt, zuweilen auch ins Bett commandirte. Seit einer Woche versuche ich Ausgänge um das Gehen wieder zu lernen, wozu ein alter Mann das schlechteste Object ist. Die eigentliche Affection ist glücklich verschwunden, und ich habe mich sogar wieder meinem Dienste zugewendet, was mir nach so langer Gefangenschaft, ich möchte sagen eine Erholung ist. Freilich ermüdet das Stehen noch sehr, und ich bin mit der Locomotion wenig zufrieden. Ob das viel besser wird, weiß ich nicht, jedenfalls stehen die bescheidenen Spaziergänge in Baden als Ideale in meiner Erinnerung. ||
Hoffentlich ist es Dir besser ergangen. Du bist fleißig, thätig, wie immer. Daß sich die Welt der geistigen Interessen sich einem im Alter nicht so kurzweg abschließt, wie die Function eines Beines, ist ein Trost, den ich gerne ergreife und festhalte, so lange es angehen wird.
Meiner Frau hat der Badener Aufenthalt besser bekommen, als zu vermuthen war, und das alte Uebel ist zwar nicht verschwunden, aber gegenüber den Vorjahren doch geringer geworden. Deine Hinweisung auf Kanoldt in Karlsruhe, meiner Tochter wegen, hatte ich in Erwägung genommen, und mich noch im Herbste dort angemeldet. Leider konnte ich von der freundlichen Antwort keinen Gebrauch machen, da der Ischiadicus es verbot. Ich werde aber, sobald es mir möglich sein wird, jene Anknüpfung benützen. ||
Wie geht es den Deinigen? Möchte die in Deinem letzten Brief geäußerte Sorge wegen des Befindens Deiner lieben Frau, wieder gewichen sein. Beste Grüße. Lebe wohl, und denke zuweilen an Deinen
treuergebenen
alten
C. G.