Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 1. Oktober 1898
Heidelberg, 1.Oct 98.
Liebster Freund!
Herzlichen Dank für Deinen Brief, aus dem ich wieder einen Beweis Deiner Freundschaft entnehme, die mir außerordentlich wohlthut. Je näher man zum Ende seines Daseins gelangt, desto tiefer empfindet man das, was einem noch Erfreuliches im Leben entgegentritt. Es pflegt ja ohnehin nicht viel zu sein. Deine gütige Vermittelung giebt mir Hoffnung von einer rechten Sorge befreit zu werden, denn Sorge wars, was ich um die Ausbildung meiner Tochter empfand. Das wirst Du am leichtesten begreifen. Wir wollen nun abwarten, wie sich die Dinge weiter entwickeln mögen. || Jedenfalls ist meiner Tochter eine Aussicht eröffnet, zu der sie hier nicht hätte gelangen können. Zu Karlsruhe haben wir gar keine Beziehungen, so daß es gut ist jetzt eine Vermittelung dazu a zu erhalten. Else will sich zwar wesentlich dem Aquarell widmen, sie hat sich aber auch schon mit Oel beschäftigt, dessen Technik ihr wenigstens nicht ganz fremd ist. Die hier erhaltene Anleitung war freilich geringer Art.
Wir theilen wohl das Wetter mit Baden, denn auch hier ist Herbsteskühle herrschend geworden. Hoffentlich kommen noch einige wärmere Tage, welche Deiner Kur, für welche ich besten Erfolg wünsche, zu Gute kommen mögen.
Daß Du keine guten Nachrichten von Hause hast, bedaure ich aufrichtig. Hoffen || wir, daß bis zu Deiner Heimkehr wieder eine erfreulichere Gestaltung der Dinge Platz gegriffen hat. Wir hätten uns sehr gefreut, Dich auf der Durchreise hier wieder zusehen. Ich begreife aber Deinen directen Weg. Wenn das Passiren Heidelbergs zu einer guten Tagesstunde stattfindet, würde ich mich gerne am Bahnhof einfinden, bitte also um Angabe des Zuges.
Eventuell lasse ich mich bei Oeffingers empfehlen. Nochmals herzlichen Dank für Deinen großen Freundschaftsdienst, und viele Grüße auch von den meinigen, wobei auch Else ihren Dank anschließt. Tausend gute Wünsche!
Stets Dein alter, doppelt alter
C.Gegenbaur
a von oben eingefügt: dazu.