Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 26. September 1896
[gedruckte Danksagung zum 70. Geburtstag]
Wenn man am Spätabende des Lebens auf ein vollbrachtes Tagewerk zurückblickt, so mag wohl der Gedanke beruhigend sein, dass man sein Bestes zu thun die stete Absicht hatte. Aber der Wille genügt nicht allein. Es bleibt die Frage, ob das Geleistete seinem Zwecke entsprach, ob erstrebte Ziele auch erreicht wurden.
Die Wissenschaft in ihrer Unendlichkeit bildet einen mächtigen Gegensatz zur kurzen Dauer des menschlichen Lebens, dessen Thätigkeit es nur zu einem Stückwerke bringt. Dieses hat aufzugehen im Ganzen, und nur dadurch empfängt es Werth und Bedeutung, die sich nicht blos nach dem materiellen Inhalte, sondern vielmehr nach dem geistigen Gehalte bemisst, der den ersteren durchdringt und beherrscht. Denn nur dieser gibt dem Einzelnen Verknüpfung, und bildet das Gefüge des Baues der Wissenschaft, woraus sich zugleich der Weg der Forschung bestimmt, seine Richtung und sein Ziel.
Wenn auch bessere Erfahrung Vieles geändert und manche gerne von mir anerkannte neue Auffassung begründet hat, so darf ich doch hoffen, dass ich jenen Weg nicht ganz verfehlte. Das zeigt sich in der Theilnahme, die mir in Wünschen und Gaben zum 70. Geburtstage so reichlich gespendet ward. Darunter ragt die dreibändige Festschrift hervor, zu welcher auch Sie beitrugen. Ich darf bekennen, dass dieses wahrhaft monumentale Werk mich auf’s höchste erfreut und geehrt hat. Es trägt an der Spitze seines Inhaltes einen mir theuren Namen, den die Wissenschaft längst mit Glanz umgab. ǀ
Es zeigt mir nicht wenig ältere und jüngere Freunde, die theils schon am rühmlichst erreichten Lebensziele angelangt, theils auf dem Wege dazu sich befinden; es erweckt endlich in mir die Erinnerung an die Zeiten, da fast alle derselben in wissenschaftlichem Verkehr mir persönlich nahe standen, und Manche mir in der Ausübung meines Lehrberufes dankbarst anzuerkennenden Beistand und in der Forschung hilfreiche Hand boten.
So fühle ich mich denn Ihnen Allen zu grossem, Vergangenes und Gegenwärtiges umfassenden Danke verpflichtet. Er verbindet sich mit dem Ausdrucke hoher Befriedigung über Ihre bedeutungsvolle Gabe, welche nicht minder auch Ihnen zur Ehre gereichen, als sie auch unserer Wissenschaft eine kräftige Förderung sein wird.
Heidelberg, September 1896.
Carl Gegenbaur. ||
Liebster Freund!
Ich kann diesen Dank nicht absenden, ohne ihn mit ein paar geschriebenen Zeilen zu begleiten, in welchen ich Dir nochmals meine Freude über Deinen Besuch in Gernsbach Dir auszudrücken. Mit Befriedigung habe ich jüngst aus Deinem Briefe ersehen können, daß Du die Deinigen sehr gebessert trafst, und daß Deine Reise auch sonst erfreulicher endete, als sie begonnen hatte. Wir blieben noch bis zum 13. Sept. in Gernsbach, wo ich bald nach Deiner Abreise eine Heidelberger Sendung von Telegrammen und Briefen empfing, die der Gernsbacher gleichkam! Fast möchte ich bedauern, daß so viele Menschen sich meinetwegen incommodirt haben! Ich bin nun froh, daß alles gut abgelaufen ist, und ich mich wieder als gewöhnlicher Sterblicher fühlen darf.
Der Gernsbacher Aufenthalt hat leider meiner Frau wenig gut bekommen. Es ist gut, daß wir hier sind. Und das Wetter, o! dieses Wetter! – Viele Grüße an die Deinigen und an Dich selbst, von mir wie von meiner Familie, die jetzt nachdem Fritz, als Unteroffizier aus dem Manöver wohlbehalten zurückgekehrt ist, wieder vollzählig ist.
Lebe wohl! In alter Freundschaft
Dein C.G.
H. 26. Sept 1896.