Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 31. Dezember 1891

Heidelberg, 31. Dez. | 91.

Liebster Freund!

Zum bevorstehenden Jahreswechsel; der für Euch von besonderer Bedeutung ist, sende ich mit meiner Frau viele herzliche Grüße und warme Wünsche, auch theilnehmenden Ausdruck an dem Familienfeste und seinem schönen Gelingen. Bei uns gieng‘s zu Weihnacht etwas stiller zu, aber wir konnten doch alle in Wohlsein uns des Abends freuen, der früher so oftmals Störungen ausgesetzt war. Die Eylauer Kinder haben uns erst Mitte November verlassen, da Nieland erst später Urlaub erhielt, und seitdem ists auch bei uns recht einsam geworden und es bedurfte meinerseits einer Gewöhnung an die Ruhe welche während || vier Monaten einem etwas bewegteren Familienleben gewichen war. Diesen Gegensatz wirst auch Du jetzt empfinden, im kleineren Familienkreise, der zu Gunsten eines Weiteren der Reduction anheimfiel. Das ist immer die alte Geschichte! Ein Glück bleibt dabei die Thätigkeit, die uns auch bei der sonstigen Trostlosigkeit der äußeren Zustände die nöthige Erfrischung nicht versagt. Für Deine neue Anthropogenie, die ich richtig erhalten habe, sage ich Dir besten Dank und gratulire zugleich zu der Beendigung der so bedeutenden Umarbeitung, die Du dem Buche zu Theil werden liesest. Ich habe bis jetzt nur einige Kapitel durchzugehen Zeit und Anlaß gefunden, mich aber nur daran erfreut!

Das Wintersemester nimmt mich besonders mit den Prüfungen sehr in Anspruch, und läßt dadurch manchen Arbeitstag in Ausfall kommen. Denn || nichts ermüdet mich so sehr als ein Examen. Während die Vorlesung mich eher erfrischt, fühle ich mich nach einem Examen als ob ich selbst das Object gewesen wäre, und rechne daher diese Art Thätigkeit zu den miserabelsten des academischen Berufes. Die zweite Semesterhälfte wird mir Erleichterung bringen.

Ich beabsichtige Dir nächstens eine kleine Sendung für Dein Institut zugehen zu lassen. Verschiedene Arthropoden aus Trinidad, darunter einige Limuli, auch ein Peripatus. Sonst

wird es nichts Bedeutendes sein. Jedenfalls sind diese Dinge dort besser am Platze als hier.

Du und Deine liebe Frau werdet Euch jetzt gehörig ausruhen, auf den Lorbeeren des Festes, und die Feiertage sind dazu willkommen. Mir wären sie auch recht angenehm, wenn nur auch der Himmel sie etwas verschönern helfe, sei es auch nur mit Schnee oder Eis. Statt dessen haben wir bei 10° Wärme unendlichen Regen und Sturmwind umtost schon seit zwei Tagen unser Häuschen. Die Elemente empören sich gegen die || Dummheiten, welche die Menschenkinder begehen, und geben dem scheidenden Jahre ein schlechtes Zeugniß mit. Ob das neue besser wird? wer weiß das! Für alle Fälle wollen wir die Alten bleiben. Nochmals beste Wünsche denen auch meine Frau sich anschließt, von Deinem aufrichtigen

C. Gegenbaur

Brief Metadaten

ID
10129
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Großherzogtum Baden
Datierung
21.12.1891
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
22,4 x 14,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10129
Zitiervorlage
Gegenbaur, Carl an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 21.12.1891; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_10129