Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 19. April 1891

Heidelberg, 19 April, | 1891.

Liebster Freund!

Für die guten Nachrichten über das Befinden Deiner lieben Frau besten Dank und zugleich herzliche Glückwünsche zur erfolgten Genesung. Es ist in der That ein großartiger Erfolg der modernen Bestrebungen, den Organismus auch bei schweren Eingriffen in seiner Intactheit noch zu beherrschen, und ihn den Kampf mit feindlichen Gewalten siegreich bestehen zu lassen. Wie sehr contrastirt das mit der Zeit, da ich der Würzburger Chirurgie ein paar Thesen entgegenzustellen Anlaß fand || von dem, was mir damaliger Unterricht in jenem Fache geboten hatte, gar wenig erbaut! Du hast mich an jene Zeit in liebenswürdigster Weise erinnert, und in dem Medaillon eine treffliche Gabe verehrt, in welcher der Künstler einem würdigen Objecte völlig gerecht ward. Es soll eine neue Erinnerung an alte Zeiten bleiben, und wenn ich mich auch noch nicht mit dem bis jetzt ihm zugewiesenen Orte einverstanden erklären kann, so dient es doch bereits meinem Zimmer ebenso zu realem Schmucke, wie mir selbst zu idealer Erhebung und Freude.

Meinen herzlichsten Dank nimm für Deinen Brief, wie für das Geschenk gleich voll entgegen, und glaube, daß ich unserer Freundschaft stets eingedenk bin. ǀ

Das Reiseproject, von dem ich Dir gemeldet, ist nicht zur Ausführung gelangt. Nachrichten über schlimmes Wetter am Südabhange der Alpen und die auch dort abnorme Verspätung des Frühlings, liessen mich das Zuhausebleiben vorziehen. So konnte ich denn mit meiner Arbeit wieder ein gutes Stück vorwärts kommen, und habe dabei andere Erholung nicht vermisst. Es ist mir wirklich ein rechtes Vergnügen in dem altbefreundeten Gebiete der Vergleichung mich zu bewegen, und ich habe nur den einen Wunsch: fertig zu werden. Leider kann ich mit diesem Wunsche noch keine Zeitbestimmung verbinden, doch beruhigt mich einigermaßen der Blick auf den Abschluß der größeren Hälfte, die mir auch die schwerere war. Der Sommer wird mir hoffentlich nicht || zu viele Abhaltung bringen und soll noch redlich ausgenützt werden. Meinen Lehrepflichten legt er ohnehin nichts Großes auf.

Den besten Wünschen für den guten Fortgang der Genesung Deiner l. Frau schließt sich auch meine Frau aufrichtigst an, und läßt Dir zugleich ihre Freude über das Medaillon aussprechen, in welchem auch sie das Wohlgelungene bewundert hat.

Du wirst wohl bald die Rüstung zur Hochzeit betreiben. Darf man wissen, wann die Feier stattfinden wird?

Mit herzlichem Gruße

Dein alter

C. Gegenbaur

Brief Metadaten

ID
10126
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Großherzogtum Baden
Datierung
19.04.1891
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
18,1 x 11,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10126
Zitiervorlage
Gegenbaur, Carl an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 19.04.1891; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_10126