Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 8. Dezember 1887

Heidelberg 8. Dez. | 1887

Liebster Freund!

Nachdem es mir nicht geglückt ist Dich zum Herbste zu begrüßen, wird noch ein zweites Jahr verfließen bis eine Begegnung möglich sein wird. Gleich Dir habe auch ich von den verflossenen Ferien wenig Genuß gehabt. In Brückenau war häufiges Unwohlsein meiner Frau, dann die Erkrankung meines Fritz an einer Angina, Hinderniß für ungetrübte Ferienruhe. Dazu kam dann noch kaltes Wetter, welches den Aufenthalt im Freien einschränkte. Dieses Wetter begleitete mich auch nach dem Bodensee, wo freilich die liebe Sonne manchen Tag sehr freundlich dazu schien, als ob voller Sommer wäre! Aber es war hundekalt dabei. Die Haut will eben auch ihr Genüge haben, wenn man sich recht freuen will.||

Daß es Deiner lieben Mama bei ihrem hohen Alter doch im Ganzen gut geht, hat zu hören mich sehr befriedigt. Grüße sie bestens von mir, wenn sie sich meiner nach so langer Zeit noch erinnert. Ich habe sie immer noch lebendig vor Augen.

In meinem Hause geht es jetzt besser als in den letzten drei Jahren. Obschon der Brückenauer Aufenthalt nicht sofort einen Erfolg hatte, scheint er doch gut gewirkt zu haben. Meine Frau erholte sich noch im Herbste sehr, so daß wir inzwischen Spaziergänge ausführen konnten, was seit drei Jahren unterblieben war. Das alte Leiden ist freilich nicht ganz gehoben.

Für meinen Schwager Streng hatte ich letzte Monate große Sorge. Er litt am Mastdarmkrebs und wurde vor einiger Zeit operirt, mit Erfolg zwar allein auf wie lange? ||

Wenn man so um sich blickt, wird man recht zufrieden, aber auch recht bescheiden und sucht die paar Jahre, die man noch da herum sich treibt so gut als thunlich auszunützen. Die Arbeit geht freilich bei mir sehr langsam, da ich die Abende durchaus nicht mehr intensiv geistig thätig sein kann, wenn ich das Schlafen genießen will. Ich darf auch nichts mehr lesen, was Ideen anregt, so daß mein Tagewerk einen frühzeitigen Abschluß findet.

Wir haben ein recht gutes Wintersemester. Man bekommt aber auch allmählich die Thätigkeit im Präparirsaale satt.

In der Erwartung daß diese Zeilen Dich und die Deinigen in gutem Gesundheitszustande antreffen sende ich herzliche Grüße, auch von meiner Frau, und bin stets

Dein treuer

CG

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
08.12.1887
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10095
ID
10095