Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 14. Mai 1884

Heidelberg, 14 Mai 1884

Liebster Freund!

Endlich komme ich einmal zu einem richtigen Briefe und sage Dir vor Allem besten Dank für das meiner Tochter bestimmte Geschenk, welches ihr gewiß Freude machen wird. Die Hochzeit sollte Ende Mai sein, wird aber verschoben auf Mitte Juni, was mir in Anbetracht des noch immer sehr leidenden Zustandes meiner Frau passend ist, während ich im Uebrigen gerne All das hinter mir hätte. Denn zuvor komme ich zu keiner rechten Ruhe und vermiße unliebsam jede Arbeitsstimmung!

Zu den Dir zu Theil gewordenen Ehrenbezeigungen empfange meine herzlichsten Glückwünsche. Auffallend war mir aber, daß in dem Referate und der Allgemeinen Zeitung Dein Name unter den Edinb. Promovirten nicht aufgeführt war. Ob wohl der „Anthropologe und Staatsmann“ das bewerkstelligt hatte? Hast Du seine Rede gelesen, worinn er sich in E. als „Darwinist“ bekennt, aber den Ausbreitungen dieser Lehre begegnet wissen will. Ich möchte wohl wissen was nach Abzug all dessen, was jener für Ausschreitungen hält, eigentlich noch übrig bleibt! ||

Zur Eröffnung Deines neuen Institutes gratulire ich Dir ebenfalls. Ich habe an der Feier im Stillen Theil genommen und mich über den Bericht gefreut, den Du mir zugehen liessest. Auch O. Hertwig hatte mir darüber geschrieben indem er sich bezüglich eines hiesigen Chirurgen erkundigte. Ich habe Prof. Braun nur aufs wärmste empfehlen können. Wenn Du etwas in dieser Sache thun kannst, so versäume es ja nicht. Braun wird sich in jeder Hinsicht für Jena eignen. Ich habe in dieser Beziehung auch an W. Müller geschrieben. Nachdem Ihr mit Euren neuen Collegen eigentlich kein rechtes Glück hattet, wenigstens mit einigen derselben, wäre es gut einmal einen ebenso tüchtigen als charaktervollen Mann zu bekommen. In Weimar hat man, wie ich weiß, eine andere Persönlichkeit in petto!

Wenn H. Deinen Neffen nimmt, so wird damit der Sache nur gedient sein. Anatomische Neigungen hatte ich hier zwar keine bei ihm entdeckt, allein ich habe ihn ja seit drei Jahren, glaube ich, nicht gesehen und da kann sich manches bei ihm entfaltet haben. Jedenfalls ist er ein gewissenhafter, strebsamer und gut auffassender Mann. Daß er an der Praxis keine Freude hat zeugt von gesundem Urtheil. Er kann es einmal mit der Anatomie versuchen. Bei || der großen Menge von Schund, kann es ihm kaum fehlen sich bald hervorzuthun. Was ich Deinem Bruder darüber schreiben könnte wäre nichts Anderes als das hier Mitgetheilte. Zusprechen könnte ich ihm nicht, da ich den jungen Mann eben doch zu wenig nach der kritischen Seite kenne. Mir scheint es also zunächst doch nur auf einen Versuch anzukommen, der nicht schaden kann.

Mit Dohrn werde ich mich nicht einlassen, der Kerl ist mir zu gemein! Er scheint auch eine solche Entgegnung zu wünschen, und da will ich ihm denn den Gefallen nicht thun. Dagegen will ich in der Vorrede zu meinem Grundriß ihm einige Worte widmen. Auch seinem Freunde Wiedersheim, resp. dessen Schandbuche! Ich werde den Grundriß, ohne ihn stofflich bedeutend zu vermehren, doch etwas ausdehnen, da viele fundamentale Dinge doch viel zu kurz behandelt waren. Bei meinen Vorarbeiten habe ich noch B’s Protozoen studirt und bin empört darüber, wie er Dich behandelt, indem er Dich für Alles verantwortlich macht, was Spätere fanden und Dir entgangen war! Man sieht es übrigens diesem schmerbauchigen Werke auf jeder Seite an, daß es nach dem Bogen bezahlt wird. Sobald sich mir passende Gelegenheit giebt, werde ich meine Ansicht über jenes Verfahren ihm nicht vorenthalten. Köllikers Artikel habe ich gelesen und pflichte Dir bei. Uebrigens hat bereits Waldeyer in seinem Pxxxt Artikel so ziemlich ǀ|| dasselbe gesagt ohne Dich zu nennen. Im Allgemeinen muß man froh sein, wenn diesen Herren mehr Vernunft wird, gleichviel, wo sie sie her beziehen. Man kann so später einmal diese Sachen historisch zusammenstellen.

Zum Schluße lege ich Dir noch unser Brautpaar bei, welches sich empfehlen läßt. Es ließen sich gar vielerlei Betrachtungen dazu knüpfen, die ich besser übergehe. Also nur noch die herzlichsten Grüße von Haus zu Haus von Deinem

alten

CGegenbaur.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.05.1884
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 10067
ID
10067