Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 29. Dezember 1880

Heidelberg 29. Dez |1880

Liebster Freund!

Glück auf! zur Beendigung Deines Medusenwerkes, dessen zweiter Band mir, etwas schwerfällig und unbeholfen corpulent aber deßhalb nicht minder willkommen auf den Weihnachtstisch flog, wo sich die reizenden Bewohner der Salzfluth allerdings etwas langweilen werden, da ihnen nur Quadropoden als Gesellschaft zur Auswahl stehen. Man muß sich aber doch auch unter anderen Umständen an schlechte Gesellschaft gewöhnen oder doch mit dem Gedanken sich aussöhnen daß man mit allerhand Viehzeug in dieser Arche zusammengesperrt ist. So mögen es sich denn auch die alten Freunde gefallen lassen. Sie sind mir in der langen Zeit recht fremd geworden und müssen sich auch aus anderen Gründen zunächst einige Zurücksetzung || gefallen lassen. Es ist mir rein unmöglich heterogenes zu bewältigen. Jüngst las ich die Hertwigsche neueste Schrift die mich sehr interessirte, andern Tags noch war ich unfähig meine Gedanken auf den betreffenden Abschnitt meines Buches einzustellen, den ich gerade zum Drucke durchsehen mußte. So collidiren die Interessen beständig, wie sehr man sie auch zu vereinigen bemüht ist.

Eure Anatomiefrage wird hoffentlich bald zu glücklichem Ende gelangt sein. Lange genug hat‘s gedauert. Wenn nur nicht irgendwo noch ein Kuckucks-Ei ins Nest gelegt wird! Wir hatten inzwischen auch eine Stelle zu besetzen da unser Geburtshelfer sich pensioniren ließ. Die Sache lief aber wider Erwarten rasch und wie ich mir sagen lasse, auch gut ab. Wir haben einstimmig Kehrer in Gießen vorgeschlagen und derselbe hat auch angenommen wie wir zum voraus schon wußten. Schwierigkeiten irgendwelcher Art hätten wir freilich nicht brauchen können, da die || Finanzen Badens in die mageren Jahre gerathen sind.

Bei mir im Hause geht‘s jetzt wieder besser, nachdem meine Frau fast vier Monate continuirlich leidend und ans Bett gefesselt war. Erst seit 14 Tagen hat sie begonnen dasselbe zu verlassen und wird hoffentlich bald wieder ausgehen können. Die überaus milde, fast sommerliche Witterung wird ihr hoffentlich zugute kommen. Die Sträucher beginnen zu grünen und manche Blumen, wie Astern, blühen sogar. Mir wäre freilich ein fröhlicher Winter mit Schnee und Kälte viel lieber, wenn er nicht wie der vorige ausfällt.

Hoffentlich ist Dein Familienkatarrh verschwunden und Ihr habt frohe Weihnachten gefeiert, und geht getrost dem Neuen Jahre entgegen. Möge es Dir und den Deinigen ein recht gesegnetes sein. Dieß wünsche ich von Herzen, und meine Frau schließt sich diesen Wunsche an.

Mit besten Grüßen

Dein aufrichtiger

CG.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
29.12.1880
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10051
ID
10051