Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 29. November 1880

Heidelberg, 29. Nov. 80

Liebster Freund!

Hab Dank für die heute erhaltene Nachricht, von der ich hoffen will, daß sie nicht durch einen hinkenden Boten an Bedeutung einbüßt. So gut die Sache auch bis daher verlief, so ist doch zu befürchten, daß jene Herren denen kein Mittel zur Erreichung ihrer Zwecke zu verwerflich scheint, nicht noch irgendwo Unkraut unter den Weizen säen. Wiege Dich nicht in Sicherheit ein, sondern halte Wacht und fleißige Umschau, im Senat und in Weimar, und traue nicht allzuviel! Gratuliren will ich Dir erst, wenn die Sache völlig beendet ist.

Daß Schwalbe erst in Berlin oder Leipzig die Morphologie rausbringen will, zeugt von wenig eigener Kraft. Mir ist das Alles gleichgültig, mag er‘s versuchen.

Wenn mein Gutachten den Herren etwas stark schien, so ist mir das gerade recht. Sie wissen dann was ich von ihnen halte. Ich war erst einen Augenblick schwankend ob ich mich in diese Angelegenheit mischen sollte. Dann entschied ich mich doch und ich glaube es war recht, im Interesse Jenas, wie einer guten Sache. Den Bericht hatte ich erst etwas schwächer abgefaßt, ich || opferte dann eine Nacht um ihn nochmals umzuarbeiten. Vieles hätte ich noch ausführlicher geben mögen, aber die Zeit drängte. So blieb manches aphoristisch. Ich denke mir der Curator hat den Bericht zu seinen Acten genommen und nicht zu den Facultätsacten gegeben, denn für ihn war gefertigt. Auch wünsche ich nicht daß mit dem vielfach lückenhaften Schriftstücke Mißbrauch getrieben würde. Es wäre mir lieb, wenn Du Dich darüber erkundigtest und im obigen Sinne handeltest. Daß ich Alles vertrete, ist selbstverständlich. Es gibt aber diplomatische Actenstücke die man nur vorliest ohne sie im Texte mitzutheilen, und so muß es auch in diesem Falle sein.

Den beigeschlossenen Brief Fürbringers sende mir wieder retour; ich theile ihn Dir mit damit Du siehst wie Fürbringer die Sache betrachtet. Es ist eine durchaus anständige Gesinnung, die sich in jenem Briefe ausspricht, und das ist nur wohlthuend, wo man so vielen miserablen Kerlen begegnet. Man sieht daß er nicht zu Jenen gehört die um ein paar Groschen die Fahne wechseln. Es ist eigenthümlich, daß gerade die Collegen, welche wohl das mindeste Interesse für Jena haben, sich am hartnäckigsten zeigten, natürlich nur zum Besten Eurer Universität. Nothnagel kenne ich zwar nicht weiter, || aber von Schultze weiß ich‘s um so genauer, daß er lieber heute als morgen Jena verließe. Du wirst denken ich hätte kein Recht das zu sagen, da ich ja selbst wegging. Doch ist das Anders. Ich glaube bis zum letzten Momente meine volle Pflicht gethan zu haben, und habe manches Opfer dazu gebracht, von dem jene anderen Herren nichts wissen. Also will ich mit jenen nicht zusammengeworfen sein

Zum Schlusse nochmals: Halte Dein Pulver trocken!

Stets Dein aufrichtiger

CG.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
29.11.1880
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10050
ID
10050