Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 27. Februar 1879

Heidelberg, 27. Febr. | 1879

Liebster Freund!

Deinen jüngst erhaltenen Auftrag habe ich so gut es immer möglich war besorgt, und kann Dir Folgendes mittheilen. Die fragliche Persönlichkeit arbeitet bei Koenen, der mir Habel als einen ruhigen, mit Fleiß und Geschick seinen Aufgaben nachkommenden jungen Mann schilderte. Das ist aber auch Alles was ich bis jetzt ermittelt. Bei der academ. Disciplinarbehörde ist er unbekannt, was gleichfalls für ihn spricht. Deinen Neffen hatte ich beauftragt sich unter der Hand über ihn zu erkundigen; es ist ihm aber noch nicht gelungen, und wie er mir heute mittheilt, glaubt er, da er mit den Kreisen von Chemikern gar nicht verkehre, auch nicht an einen späteren Erfolg. Mir scheint die Angabe Bunsens allein schon sehr wichtig zu sein, zumal das Laboratorium einen großen Theil des Tages ausfüllt. Die Frage wird Dir also nicht schwer zu lösen sein. Uebrigens müssen in Amerika wunderbare Verhältniße bestehen, wenn ein verrückter Vater seine Kinder grundlos enterben kann!

Bei uns geht es gut, obschon ich mich durch vielfache kleine Krankheiten in meiner Familie mannichfach gestört fühle, und schon || deshalb das Ende des ziemlich strengen Winters sehr herbeisehne.

Die Schweinefüße erhältst Du zurück. Es ist wie ich vermuthete kein Atavismus. Der schlagende Beweis liegt in den 3 Phalangen der überzähligen Zehe, welche doch da sie den Daumen vorzustellen hätte, nur 2 besitzen dürfte. Ich habe, wie ich Dir schon schrieb noch keinen Fall von Atavismus beim Schwein gesehen, obschon ich eine erkleckliche Anzahl jener Extremitäten-Monster zur Untersuchung hatte. Es scheint mir sachgemäß und zweckdienlich diese Fälle auszuschließen; deshalb werde ich gelegentlich im Jahrbuch Anlaß nehmen mich zu äußern. Leicht könnte ein Unberufener hinter diese Dinge gerathen und sie in einem der Descendenzlehre hinderlichen Sinne ausbeuten.

Gedon ist recht fleißig, laborirt aber an Materialfülle. Ich habe nämlich meine Amsterdamer Connexionen liquid gemacht, und eine ganze Anzahl Vogelsendungen inzwischen erhalten, darunter seltene Dinge, dh. sehr brauchbare. Und das alles gratis! Die Bitte an einige deutsche zoolog. Gärten hat mir nur ein paar Strauße – natürlich gegen Zahlung – eingebracht, sonst keine Feder! Das ist außerordentlich bezeichnend, und || soll auch durch einen Zusatz zur Gedonschen Arbeit seinerzeit ins richtige Licht gesetzt werden.

Eben erhalte ich Deine Sendung mit der Rabl‘schen Arbeit, für deren gute Herstellung ich Sorge tragen werde.

In der Kiste die ich Dir morgen sende findest Du einen Brief mit 12 Mark für den letzten Jahrgang der Jen Jenaischen Zeitschrift. Nun habe ich aber noch für den Supplementband zu bezahlen von dem ich ein Heft doppelt ein anderes zu wenig erhielt. Davon nächstens.

Mit besten Wünschen und freundlichem Gruße

Stets Dein

CGegenbaur

Brief Metadaten

ID
10037
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Großherzogtum Baden
Datierung
27.02.1879
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
13,2 x 21,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10037
Zitiervorlage
Gegenbaur, Carl an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 27.02.1879; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_10037