Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 9. Dezember 1876

Heidelberg, 9. Dec. | 1876

Liebster Freund!

Für zwei Briefe und die beigelegten Photographien Deiner lieben Kinder empfange meinen besten Dank und den Ausdruck meiner und meiner Frau Freude über die gut abgelaufene Krankheit. Hoffentlich befinden sich die Kleinen bald wieder in dem durch die Photogr. bezeugten erfreulichen Zustand. Auch Deines jüngsten Kindes in dritter Auflage gedenke ich dankbar, im besonderen Deinen Fleiß, den zu besitzen ich mir oft gewünscht habe. Doch kann ich sagen daß ich seit October wieder ein gutes Stück Anatomie hinter mich gebracht habe, und hoffe bis zu Ostern mit Allem bis auf die Nummern fertig zu sein. Zu anderen Arbeiten komme ich dabei natürlich nicht, und muss auch vieles ungelesen lassen was mich interessierte. Rabl’s Aufsatz gehört dazu. Scherings Buch || habe ich mir angesehen, und stimme natürlich nicht mit seinen Diphylia der Mollusken überein, wie er mündlich und schriftlich von mir weiß. Es ist aber gutes Material in der Arbeit, die ich bis auf jene Behauptung für brauchbar halte. Auch Borgt ist meiner Meinung.

Daß Strasburger von Jena weggeht thut mir Deinetwegen sehr leid. Auch beklage ich wenn er nach Dresden gehen sollte. Eine Universität bietet einen anderen Wirkungskreis, und in Dresden wird er kaum dazu kommen für Nachwuchs sorgen zu können, was doch der Botanik vor allem Noth thut. Ich höre daß unser Botaniker nach Tübingen berufen sei? Was daran ist weiß ich nicht. Wer ist wohl da an den gedacht werden könnte? Mich geht es freilich gar nichts an, aber es wäre mir doch lieber einige Orientirung zu haben.

Zum Radiolarien-Material gratuliere ich Dir, denke mir aber Deine Bücher werden Dich während der Bearbeitung noch manchmal mit neuen Auflagen stören. Mit meinem Grundriß hat es Engelmann wieder bis zum äußersten || kommen lassen. Er schlägt mir jetzt an eine unveränderte 2te Auflage zu denken, was ich immer mehr für einen moralischen Selbstmord ansehe, je länger ich‘s bedenke. Ich will sehen was zu thun ist. Bis vor 2 Jahren bin ich dem wichtigsten der Lit. so gründlich gefolgt. Aber ein halbes Jahr würde die Umarbeitung doch erfordern, und so weiß ich nicht was zu thun ist, denn andererseits bin ich jetzt im besten anthropotom. Arbeiten!

Ich hatte früher den Plan, eine neue Aufl. ganz umzugestalten, nach Organsystem eintheilend. Das würde ich dießmal noch gehen lassen müssen. Schreibe mir was Du zu der Sache denkst. Da die Pflicht, das zu erhalten, was man besitzt, dem Fördern eines neuen Unternehmens vorgeht, bin ich mehr geneigt die Grundrißarbeit vorzunehmen und die Anat[omie] nebenbei zu schreiben, so weit das angeht. Seit ich hier in meinem Hause ruhig sitzen kann, und auch in meine Anstalt bessere Ordnung gebracht habe, fühle ich mich ganz anders disponirt, und denke recht ans Schaffen, das mir wieder mehr Freude macht als die letzten Jahre zuvor.

Meiner Familie geht es gut, und ich will nur wünschen daß der Winter gut || vorübergeht, und mir keine häusliche Störung zu Theil wird.

Das wünsche ich auch für Dich, und füge diesem Wunsche noch Grüße von Haus zu Haus bei, stets Deiner freundschaftlichst gedenkend.

Wie immer Dein alter

C. Gegenbaur

Fischer erwidert Deine Grüße und läßt wegen Strauß sagen daß das Buch wenn es von Bonn kam ihm wahrscheinlich von der Tochter zugesendet ward. Er bekomme das seine vom Sohne. Grüße Strasburgern bestens!

Brief Metadaten

ID
10015
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Großherzogtum Baden
Datierung
09.12.1876
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,2 x 21,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10015
Zitiervorlage
Gegenbaur, Carl an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 09.12.1876; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_10015