Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 14. Mai 1876

Heidelberg, 14. Mai 76

Liebster Freund!

Du wirst es mir nicht übel genommen haben daß ich erst Deinen zweiten Brief beantworte und Dir damit zugleich für die Zusendung danke deren eines Exemplar ein Fischer ausgehändigt ist. Jetzt liegt eine ähnlich ziemlich wirrvolle Zeit hinter mir und ich habe mich, obschon noch in ziemlicher Unordnung bezüglich meiner Räumlichkeiten, im neuen Hause nicht nur zurechtgefunden, sondern auch vom ersten Tage an darin recht wohl gefühlt, und bin mit dem eingetretenen Wandel der Dinge außerordentlich zufrieden. Die meisten Schwierigkeiten machte uns der Umstand daß der letzte Besitzer gar keine Herstellungen hatte vornehmen lassen, so daß zu den von uns anfänglich vorgeschlagenen Aenderungen noch hundert kleine Reparaturen kamen, und kein einziges Handwerk besteht, dessen| | wir nicht auf mehrere Tage, ja sogar auf Wochen nöthig gehabt hätten. Gestern haben uns erst die Maurer verlassen! Doch das sind Alles nur Nebensachen. Die Hauptsache bleibt das befriedigende Gefühl des eigenen Besitzes, der wie klein er auch ist doch ein behagliches Wohnen und dabei erfreulichen Naturgenuß gestattet. Wir hoffen sehr daß Du Dich zum Herbste von unseren neuen Existenzbedingungen zu unterrichten zum willkommenen Anlaß nehmen wirst. Das Unwohlsein Deiner lieben Frau wird ja hoffentlich keine ernsteren Sorgen machen, und die beabsichtigte Kur ihr gut bekommen. Das wünschen wir von Herzen. Auch meine Frau ist gegenwärtig sehr angegriffen; während sie den Umgang mit den vielen an sie gerichteten Ansprüchen gut ertrug, ist jetzt eine Reaction eingetreten, die sie öfter ans Bett fesselt. Zum Glücke ist unser Hausstand einfacher und damit bequemer geworden. ||

Was Du über Bonn geschrieben, nahm mich nicht wunder, da wir das ja Alles besprochen hatten. Aber ich muß doch bei meiner alten Meinung bleiben, und sehe jene Dinge nicht so schwarz wie Du. Mit entschiedenem, die rechten Mittel am rechten Platz verwendenden Auftreten, wäre Vieles zu bessern gewesen. Was die rein passive Natur des guten Leydig nicht vermag, hätte Deine Energie wohl zuwege gebracht. Uebrigens beklage ich L. von Herzen. Er schrieb mir jüngst und erwähnte auch Deines Besuches, über den er sich offenbar recht gefreut hat. –

Daß euer Anatom sich an Jena so anhänglich zeigt, hat mich für eure Universität recht gefreut. Die Regierung hat damit einen kleinen Triumph gefeiert, und das gönne ich ihr um so mehr, als ich nicht im Falle war solches zu bieten. –

Bei uns hat sich das Sommersemester ganz gut angelassen, und ich bin mit meinen beiden Collegien recht zufrieden. Fürbringer hat seine Habilitation beendet, und seine Lehrthätigkeit begonnen, mir sehr angenehm. ||

So wollen wir also sehen, wie wir‘s glücklich weiterführen.

Strasburgers Besuch in Heidelberg hat mir wieder immenser Reminiszenzen aufgefrischt. Sage ihm, dass es mir leider unmöglich war seinen Besuch an jenem Tage zu erwidern, wie es meine Absicht war.

Zum Schlusse noch herzliche Grüße und gute Wünsche.

Wie immer Dein

Gegenbaur.

Frau Friedreich die Dir nächstens schreiben wird, hat mir aufgetragen Grüße zu melden, mit dem Bemerken, wenn Du in den Fall kommen solltest ein Thier nach ihr zu benennen, ja kein „dickes“ dazu zu nehmen!!

Brief Metadaten

ID
10011
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Großherzogtum Baden
Datierung
14.05.1876
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,2 x 21,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10011
Zitiervorlage
Gegenbaur, Carl an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 14.05.1876; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_10011