Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 28. Oktober 1875

Heidelberg, 28.ten Oct. 1875.

Liebster Freund!

Besten Dank für Deinen Brief, der mich bereits mitten im Semester findet, nachdem ich den Praeparirsaal schon am 10 d. M. eröffnet, und die Collegien am Mondtag begann. Ich bin mit der Frequenz recht zufrieden, zumal wohl 2/3 aller unserer Mediziner die Anatomische Anstalt besuchen, und die Kliniken wegen Mangels an Teilnehmern noch nicht einmal begonnen haben.

Wegen Göttes Ignoranz wollte ich mir Belege auf eine Duplik aufsparen, die wohl von meiner Seite noch nöthig werden wird. Außer Cuvier und Owen kennt er auch Meckel nicht, der seine ganze Rippengeschichte freilich nicht so kolossal blödsinnig hat. Der Archetyp ist gewiß das wichtigste, über das Skelet Grundlage gebende Werk, und nicht blos Owens. Ist es sehr einseitig, und ohne alle Beziehung auf Entwickelung, so ist es doch das erste zusammenfassende Buch. ||

Was Gabriel angeht, so ist das nur ein Theil des Kreuzes das ich mir durch Hasse aufgebürdet. Es ist mir über dieses eine Ding eine ganze Correspondenz angewachsen! Denn es sollte anfänglich ein großes Opus mit vielen Tafeln sein! Das gedruckte Stück davon habe ich als Habilitationsarbeit ohne Hasse zu bruskiren, nachdem bereits viel über das ganze gebriefwechselt war, nicht abweisen können. R. Hertwig wird mir einen rechten Gefallen thun wenn er mir eine bündige Kritik über diese Arbeit zugehen läßt.

Hasse ist ohne alles Urtheil! Es ist oft kaum zu glauben! In Breslau wird er zu Grunde gehen. In Jena hätte er sich unter Deinen Fittichen, bei seiner guten Anlage und vieler Empfänglichkeit, entwickeln können. Er treibt die Wissenschaft fabrickmäßig, setzt unwissende Leute, anstatt sie erst etwas lesen zu lassen, an Untersuchungen von denen sie, sowenig wie er selbst, verstehen, und hat sich in Breslau schon in manche schlimme Situation gebracht!

Bei mir zu Hause geht es gut, und ich will für uns beide wünschen u. hoffen daß der Winter sich gut anläßt.

Mit besten Grüßen, auch von meiner Frau an Dich wie an die Deinige

Dein

CG.

Brief Metadaten

ID
10004
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
28.10.1875
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
13,4 x 21,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10004
Zitiervorlage
Gegenbaur, Carl an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 28.10.1875; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_10004