Adalbert Geheeb an Ernst Haeckel, Freiburg im Breisgau, 8. Mai 1899

Freiburg i. Breisgau | Göthestraße, 39, II, | den 8. Mai 99.

Hochgeehrter Herr Hofrath,

liebster Herr Professor!

Eine wahrhaft festliche Freude hat mir das Heft Ihrer wundervollen „Kunstformen der Natur“ bereitet, das Sie die große Liebenswürdigkeit hattena, durch das bibliographische Institut in Leipzig mir zuzusenden. || Es kam am 1. März des Jahres, zu meiner und meiner kunst- u. naturliebenden Frau größten und freudigsten Überraschung, in unsere Hände, – und seither ist wohl selten ein Tag vergangen, an welchem wir uns nicht daran erfreut hätten! Wie soll ich Ihnen Dank sagen, hochverehrter Herr Professor, für diese herrliche Gabe?! Welche Fülle von hochinteressanten, schönen Formen, – man steht und staunt! – daß ich aber || erst heute, nach so langer Zeit, die Feder ergreife, um die armseligen Worte unseres tiefgefühlten, innigsten Dankes zu Papier zu bringen, hat darin seinen Grund, daß ich aus Erfahrung weiß, daß die Osterferien Sie in den Süden führen, in das Land des Sonnenscheins! Wollen Sie daher bitte, den sehr verspäteten Dank, das nicht minder warm aus dem Herzen kommt, nachsichtsvoll || entgegennehmen! –

Meine liebe Frau (seit 1886 meine 2. Frau, – nachdem, 1884 die geliebte „Moosfrau“ mir nach qualvollem Leiden, durch den Tod entrissen worden war) kann gar nicht genug die Meisterschaft bewundern, mit welcher diese Tafeln hergestellt worden sind. Sie hat sich, von gleicher Liebe, wie die Verstorbene, zur Mooswelt beseelt in das Zeichnen u. Malen der Moose ganz vorzüglich eingearbeitet, || hat durch die ausgezeichneten Abbildungen, b in unseren „Neue Beiträge zur Moosflora von Neu-Guinea“, mit 8 Tafeln, Cassel, 1889, u. „Weitere Beiträge zur Moosflora von Neu-Guinea“ mit 21 Tafeln, Stuttgart, 1898 – im In- u. Ausland viel Anerkennung gefunden – aber Solches, wie Sie in diesen „Kunstformen der Natur“ geschaffen, wird sie nimmer zu Wege bringen! –

Dennoch will ich es wagen, || unsere nächste gemeinsame kleine Arbeit (Neue Moose von Madeira, Teneriffa, den Canaren, etc., zu welcher die 17 Tafeln in Aquarell seit Jahr u. Tag fertig daliegen) Ihnen zuzusenden als ein schwaches Zeichen meiner Dankbarkeit und Liebe, die, so lang’ ich lebe, nicht erlöschen werden. Aber es wird wohl noch ziemlich viel Zeit verstreichen, bis wir diese Freude erleben werden, – da wir || augenblicklich noch gar nicht wissen, ob die „Bibliotheca botanica“, welche zu unseren obigen 2 Abhandlungen die Zeichnungen durch Lithographie ausgezeichnet wiedergab, ein Gleiches mit den Aquarellen –zu Stande bringen wird. –

Wie oft haben wir von Ihnen gesprochen, namentlich bei unserem gemeinsamen Genuß Ihrer „Indische Reisebriefe“, III. Auflage 1895, – aber ganz intensiv im vorigen Sommer 1898, als wir in einem kleinen || Dörfchen, nicht weit von Arosa, Canton Graubünden, eine ganze Woche lang mit einer begeisterten Verehrerin Ihnen, die mit ihren 2 Töchtern dort weilte, zusammen waren: Frau Maria Baseri Ancona, Via Giuseppe Natoli 17, casa Ainis, Messina.

Habe ich recht verstanden, so erfreut sich diese liebenswürdige Dame des Glücks Ihrer persönlichen Bekanntschaft, (von Messina her), – oder hat sie Sie nur gesehen?

Ich bin nicht ganz sicher mehr. Leben Sie nur herzlich wohl, hochverehrter Herr Professor und nehmen Sie immer wieder Dank

von Ihrem treu ergebenen A. Geheeb.

a eingef.: hatten; b gestr.: die wir; c korr. aus: Neuen Beiträgen

Brief Metadaten

ID
954
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
08.05.1899
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
14,2 x 22,6 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 954
Zitiervorlage
Geheeb, Adalbert an Haeckel, Ernst; Freiburg im Breisgau; 08.05.1899; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_954