Ida Altmann-Bronn an Ernst Haeckel, Rombach, 30. Oktober 1916
Rombach in Lothringen, den 30.10.1916
Seiner Excellenz
Herrn Geheimrat Professor Ernst Haeckel, Jena.
Verehrungswürdigster, teurer Meister!
Gestatten Sie, daß ich Ihnen meinen wärmsten Dank ausspreche für die gütige Zusendung Ihres Schriftchens über Professor Lang. Sie haben mir damit eine so große Freude bereitet, wie ich sie in dieser grauenvollen Zeit zu empfinden noch imstande bin.
Der glückliche Lang! Dem von den Jünglingstagen durch vierzig Jahre und über das Grab hinaus so die Sonne leuchtete und Wärme und Segen spendete!
Eine besondere Freude war es mir, durch die freundliche Sendung ersehen zu dürfen, daß trotz der schmerzlichen persönlichen Erlebnisse, des Verlustes Ihrer verehrten Lebensgefährtin und trotz der traurigen allgemeinen Lage Ihre Gesundheit und Frische auf || der Höhe sind.
Von dem, was wir hier erleben, dürfen wir in Briefen nicht berichten, einiges davon liest man ja in den Zeitungen. – Da ich mit Zeitungen keine Verbindung habe, konnte ich das hier beiliegende Gedicht nicht der weiteren Öffentlichkeit übergeben; im Hinblick auf die Übereinstimmung unserer Gefühle für England gestatte ich mir, es Ihnen, hochverehrter Meister, handschriftlich zuzusenden.
Auch bin ich so frei, Ihnen einen Abzug meines im „Freien Wort“ erscheinenden Aufsatzes über konfessionelle und konfessionslose Krankenpflege mitzuschicken, da Sie Ihr freundliches Interesse für den Gegenstand durch die gütige Empfehlung bekundeten, die Sie uns an den Herrn Kollegen mitgaben, der nach Beendigung des Krieges im Anschluß an die Jenaer Krankenanstalten eine Ausbildungsstätte für konfessionslose Krankenpflege zu schaffen sich bereit erklärte. Mein Mann meint, dieser Aufsatz || würde geeignet sein, in Sonderabzügen zum Werben für die zu schaffende Einrichtung verbreitet zu werden, zumal wenn er Ihre Billigung fände und Sie dieser durch einige Worte Ausdruck zu geben die Güte haben würden. – Ich selbst kann wohl meine Gedanken und Überzeugungen vertreten, weiß aber mit Werbewesen und Reklamemachen gar nicht Bescheid. Ich bitte Sie daher, ehrwürdigster Meister, mir es nicht übelzunehmen, daß ich Ihnen die Sache zu unterbreiten mir erlaube, wenn Sie auch den Gedankengang für unrichtig und nicht verwirklichbar halten sollten.
Mit dem innigen Wunsche, daß es bald dazu komme, daß wir in unserem lieben Vaterlande an den Werken der Befreiung weiterbauen können, und daß Sie in alter Frische und Rüstigkeit das Richtfest des von Ihnen begründeten Baues mitfeiern möchten, begrüße ich Sie ehrerbietigst als
Ihre stets dankbare Jüngerin
Ida Altmann-Bronn. ||
4. August 1916
Albions Schmach
von
Ida Altmann-Bronn
Nun ist’s bedeckt mit ew’ger Schmach,
Das feige Albion,
Da es – wie nie ein Land noch sprach
Der Ehr’ und Sitte Hohn.
Den Streiter für sein Vaterland,
Das Albion darben läßt,
Das unglücksel’ge Irenland,
Von Albion ausgepreßt, –
Sir Roger, es durch Mörderhand
Will räumen aus dem Weg,
Damit er nicht in jedem Land
Für Irlands Not erreg’
Der Anteilnahme warm Gefühl
Gen Albions Vampyrtum,
Das, börsenmännisch rechnend kühl,
Vorheuchelt Christentum.
Indes der Schurkenstreich mißlang:
Um Englands Gold nicht feil
Ist Mannestreu, und jäh zersprang
Sir Findley’s Mörderbeil.
Sir Casement lebt und kündet noch
Der Iren Leid und Not
Und Jammer unterm Britenjoch –
Drob schwört ihm Albion Tod!
Sir Casement fühlt sich frei von Schuld,
Eilt heim ins Irenland,
Wo grad der Faden der Geduld
Zerriß, der Kampf entbrannt.
Der Kampf soll Freiheit, Recht und Brot
Dem Irenvolk verleihn,
Das länger schmahten nicht in Not,
Nicht Albions Sklav’ will sein. –
Sir Roger Casement, sieh Dich vor:
Auch dort giebt’s Meuchelmord!
Verschloß Dein Diener wohl sein Ohr
Dem schamlos frechen Wort,
Das ihn zum Mörder dingen wollt
Auf Nordlands Felsenstrand,
Gerichtsbarkeit ist feil um Gold
In König Georgs Land. –
In Strömen fließt der Iren Blut –
Albion hat Mörder viel –
Allein es kühlt nicht seine Wut,
Dein Haupt ist Mordes Ziel. –
So wurdst von Häschern Du gestellt
Vor Albions Gericht,
Das schamlos frech Dein Urteil fällt,
Da Dich zu morden nicht
Dein Diener zu erkaufen war
Mit Englands Mördergold. –
„Tod!“ zischt die feile Schergenschar,
Feil um des Amtes Sold.
Schmach ihr, und Schmach dem König auch,
Der solches hat erlaubt,
Daß gegen Ehr’ und Kampfesbrauch
Der Henker fällt Dein Haupt.
Als Kämpfer für Dein Volk und Land
Ehrt Dich, wer Ehre hat,
Sir Roger, den des Henkers Hand
Und Strang gemeuchelt hat!
Doch Albion Schmach, wo Strang und Geld
Die Ehre löschten aus,
Schmach ewig! hallt es durch die Welt,
Dir Land voll Blut und Graus.