Ida Altmann-Bronn an Ernst Haeckel, Rombach, 21. Dezember 1915
Rombach, Lothringen, den 21.12.1915
Hochverehrter Herr Geheimrat,
Verehrungswürdigster Meister!
Da Sie die Güte hatten, mich durch Ihre mir unschätzbaren Zuschriften auch ein wenig mit Ihrer Familie bekannt zu machen, Ihrem Fräulein Enkelin und dem Prachtburschen Horstmar, so gestatte ich mir jetzt beim Herannahen des alten deutschen Familienfestes der Wintersonnenwende, Ihnen eines der bekannten ostpreußischen Kriegsbrötchen zu überreichen. Meine kleine Bernsteinfee möchte sich’s nicht nehmen lassen, Ihnen bei dieser Gelegenheit gleichfalls ihre Aufwartung zu machen. Geschrieben war sie zwar schon vor Jahren, wie noch viele ihrer Geschwister, drucken ließ ich sie aber erst in diesem grauenvollen Jahre, um dadurch über unsere immerhin begrenzten Mittel hinaus die traurigen Folgen des ungeheuren Vernichtungstreibens lindern zu helfen. Neben der Wirkung, der || grimmen Not hier und dort zu steuern, gelang es den bescheidenen Blättern noch, manches Herz zu erfreuen, für eine kleine Weile von dem unendlichen Weh der Gegenwart abzulenken.
Leider ist es ja auch den Weisesten und Besten noch nicht gelungen, Mittel zu finden, dem rasenden, wilden Wahnsinnstoben Einhalt zu tun.
Mit dem heißen Wunsche, daß die Welt bald endgiltig von dem entsetzlichen Wüten und seinen Ursachen befreit werde, daß die Zeitenwende gekommen wäre, wo die Menschheit sich der Sonne der Vernunft zuwenden möge, begrüße ich Sie, verehrungswürdigster Meister, in der Hoffnung, daß Sie in alter Frische und Kraft den Menschheitstag aufblühen sehen möchten, den Ihr Lichtwirken vorbereitet hat.
Ihre dankbare und getreue Schülerin
Ida Altmann-Bronn
und Jegor Bronn.