Altmann-Bronn, Ida

Ida Altmann-Bronn an Ernst Haeckel, [o. O.], 21. Oktober 1913

Auf dem Mittelmeer, den 21.10.1913

Hochverehrter Herr Professor!

Welche große Freude Sie mit Ihrer Botschaft dem Kongreß bereitet haben, ersahen Sie ja schon aus dem Dankes- und Begrüßungs-Telegramm, das wir im Namen des Kongresses an Sie absenden durften. Gestatten Sie nun noch mir, die das Glück und die Ehre hatte, Ihre Grüße und Wünsche zu übermitteln, Ihnen auch persönlich dafür herzlichst zu danken und Ihnen zu sagen, daß freudigste Begeisterung förmlich aufloderte, als Ihr allverehrter Name genannt, als Ihr Schreiben von mir in der Kongreßsprache, der französischen, vorgelesen wurde. Daß diese stürmische Freude und Begeisterung nicht etwa zum wesentlichen Teile auf die Kongreßstimmung zurückzuführen ist, daß sie vielmehr wirklich der dankbaren Verehrung, der || Kenntnis und richtigen Wertung Ihres Werkes entsprang, konnten wir mit Stolz und Freude daran erkennen, daß Ihre Werke, „Natürliche Schöpfungsgeschichte“ und „Welträtsel“ in französischer und spanischer Übersetzung in den Wohnzimmern der gebildeten portugiesischen Freidenker stehen, gelesen, studiert werden. – Es ist überhaupt ein großartiger Zug ernstesten Strebens nach Vertiefung der Bildung, nach Verbreitung von Wissen und Hebung der Volkserziehung allerwegen in Portugal zu bemerken.

In allen Schichten der Bevölkerung, von den vornehmen und den höchsten Würdenträgern des Staates bis zu den schlichten Bauern, Landarbeitern und einfachsten Bedienten in Stadt und Land, fanden wir wie in keinem anderen Lande der Welt herzlich liebenswürdiges, fast muß man sagen liebevolles, Wesen gegenüber jedermann, eine natürliche Bescheidenheit, die aber niemals an Unterwürfig-||keit gewisser anderer Völkerstämme anklingt, eine Delikatesse der Gefühle, die immer von neuem überrascht und innig rührt. Mit einem Worte, der Charakter, das Wesen des Volkes entspricht ganz der Lieblichkeit, der wundervollen Schönheit dieses naturbegnadeten Landes.

Für das künstlerisch feinsinnige Erfassen der Naturschönheit in ihren kleinen Einzeloffenbarungen sahen wir einen äußerst anmutigen Beweis in einer graphischen Ausstellung der Nationaldruckerei. Da hatte ein junger Künstler den Cedernzapfen als Ganzes und seine Schuppen und Rillen zu Ornamenten stilisiert, die, reizvoll wie weniges, was man in dieser Art je gesehen, an die künstlerische Bildung gemahnten, die durch Ihre „Kunstformen in der Natur“ angebahnt worden ist.

Große Freude konnten wir den uns am meisten gefallenden || Gesinnungsfreunden bereiten, indem wir Ihnen die Karte mit dem prachtvollen Bilde von Ihnen überreichten, mit dessen gütiger Widmung Sie uns, d. h. meinem Mann und mir, eine unbeschreibliche Freude schenkten, und von dem mein Mann daher, um auch andere zu erfreuen, eine Anzahl von Abzügen kommen ließ.

Das herrliche Cintra besuchten wir zweimal. Nach der Heimkehr werde ich mir gestatten, Ihnen einige Karten von dort zu senden.

Das beifolgende Gedicht bin ich so frei, auf den Wunsch meines Mannes mitzuschicken. Natürlich schrieb ich es nicht für den Kapitän, dem dedizierte es nur der abschreibende Schiffsbeamte.

Nun sind die schönen Reisetage fast zu Ende. Vor der Rückkehr ins Alltagsdasein bitte ich Sie, hochverehrter Herr Professor, meine ehrerbietigsten und herzlichsten Grüße zu empfangen.

Ihre dankbar ergebene

Ida Altmann-Bronn. ||

A.B. S S. PRINSES JULIANA.

STOOMVAART-MAATSCHAPPIJ „NEDERLAND“

30. September 1913.

Mittelländisches Meer.

Herrn Kapitän J. Versteeg

Prinses Juliana“

Wir schweben im Blauen, auf blitzendem Meer

Prinzessin Juliana zieht ruhig einher

Krystallene Woben zu schneeigem Schaum

Zersprühen, zerfliessen im endlosen Raum

Hoch steigen die Wogen, ein stürmendes Heer

Weissmähniger Rosse mit Rüstungen schwer,

Sie ziehn einen Wagen aus blauem Krystall,

Sie nicken und schnauben im wogenden Schwall.

Da schaut, Ihr Beglückten, welch Wunder geschieht:

Einher vor Juliana der Wagen nun zieht.

Drin ballt sichs, und lebend erglüht es im Blau,

Es atmet der Busen der göttlichen Frau.

Frau Schönheit entsteigt dem Wogengebraus

Empor aus dem blauen Krystallenen Haus.

Sie grüsst mit dem Schleier,

Sie neigt sich und winkt,

Es blitzt ihr Geschmeide, die Perlenschnur blinkt, ||

damit sie die Rosse, die feurigen, lenkt,

Und huldvoll hernieder ihr Wagen sich senkt.

Ihr strahlendes Auge, ihr göttlicher Mund,

Sie tun der Erhabenen Willen uns kund:

Ihr Kinder der Erde, Euch werde die Macht,

Mich bei Euch zu haben bei Tag und bei Nacht

Ich bin, wo die Reinheit sich paart mit der Kraft

Ich bin, wo am Werke der Wahrheit Ihr schafft,

Ich bin, wo der Mensch nicht mehr Herr ist noch Knecht,

Wo als stärkste der Waffen entscheidet das Recht

Wo der Dichter im Lied seine Seele ergiesst,

Wo die Lieb’ mit der Treue das Bündnis schliesst.

Ich bin mit dem Starken, der ohne Gewalt

Durch Wissen und Weissheit in Stürmen ein Halt,

Der über den brausenden Ozean

Mit machtvoller Hand lenkt den schwankenden Kahn.

Ich steig aus dem Weltmeer in jauchender Lust,

Wo der Mensch seiner selbst sich als Schöpfer bewusst. ||

So singt uns Frau Schönheit Ihr machtvolles Lied,

Und PRINZESSIN JULIANA durchs Weltmeer zieht.

zum Abschiede in Lissabon

Frau

IDA ALTMANN-BRONN.

18.10.1913 auf dem Atlantischen Ozean.

Flügel, Flügel wollt‘ ich haben,

Wollt’ im gold’nen Sonnenschein

Und in blauer Flut mich laben,

Droben, drunten tauchen ein,

Wollte in des Weltmeers Fluten,

Wollte in der Sonne Gluten

Möwengleich mit hellem Schrei

Schweben, treiben froh und frei.

Möwen schweben auf und nieder

Schimmernd weiß und silbergrau, ||

Jubelnd gellen ihre Lieder

Stolz aus Kehlen wild und rauh.

Möwen wissen nichts von Sorgen,

Kennen gestern nicht noch morgen,

Leben, wie Natur sie heißt,

Bis der Lebensfaden reißt.

Möwe kann ich nimmer werden,

Kann doch werden möwengleich,

Wenn ich auf der Mutter Erden

Frei wie sie beherrsch’ mein Reich;

Wenn, wozu ich ward geboren,

Ich mir selber auch erkoren

Hab’ und standhaft bleib’ dabei,

Bin als Mensch ich möwenfrei.

Wurzel fest wohl in der Erden,

Streu’ drauf meine Samen aus,

Sing’ ob Sorgen und Beschwerden,

Wachse drüber weit hinaus.

Über Meere, Täler, Hügel

Tragen meines Geistes Flügel;

Hoch empor fliegt sonnenwärts

Frei mein kleines Menschenherz.

Ida Altmann-Bronn.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.10.1913
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 8776
ID
8776