Altmann-Bronn, Ida

Ida Altmann an Ernst Haeckel, Berlin, 5. August 1904

Berlin-Wilmersdorf, d. 5. 8. 1904

Pfalzburgerstr. 53

Hochverehrter Herr Professor, teurer Meister!

Von innigem Danke erfüllt, daß Sie auf meine bescheidene Bitte uns gestattet hatten, die Arbeiten unseres internationalen Komitees unter dem begeisternden Banner Ihres allverehrten Namens zu beginnen, hatte ich nicht gewagt, Sie auch noch zu bitten, unsern Kongreß in Rom durch Ihre persönliche Anwesenheit zu weihen, dieses Opfer Ihrer kostbaren Zeit und Kraft zu erbitten.

Als dann aber die Gesinnungsfreunde aller Länder sich in dem innigen Wunsche vereinigten, wenn irgend möglich, die Verherrlichung unseres Freidenkerkongresses durch Ihre Gegenwart zu erlangen, wollte ich diesmal die Ehre, mit Ihnen in Verbindung zu treten, Ihnen den feurigen Wunsch aller Freidenker zu übermitteln, dem Vorsitzenden des deutschen Bundes, Herrn Tschirn, überlassen. Da dieser unserm Komitee nun aber schreibt, daß wir die Hoffnung aufgeben sollten, unseren hochverehrten Meister in Rom in || unserer Mitte zu sehen, so wage ich doch, wie kühn es auch ist, noch einmal zu bitten, daß Sie, verehrter Herr Professor, wenn möglich, der erhabenen Sache das Opfer bringen möchten, bei der Eröffnung des Kongresses in Rom am 20. September zugegen zu sein. Gilt es doch, der Welt zu zeigen, daß trotz allem, was bei uns geschieht und nicht geschieht, unser liebes deutsches Vaterland nicht, in dumpfem Knechtssinn befangen, sich widerstandslos der volksverdummenden Pfaffenherrschaft unterwirft und sich seine Haltung gegenüber den wichtigsten Fragen der Kultur befehlen läßt.

Ihr Erscheinen allein auf dem Kongreß in Rom würde mehr als viele Reden zeigen, daß Deutschland, d.h. was sein Bestes ist, sein Geist, sein Wahrheitsdrang, seine Wissenschaft, lebt, kampfbereit, ja siegessicher den Dunkelmännern gegenübersteht.

In der Hoffnung, daß Sie, verehrter Herr Professor, wie immer auch Ihre Entscheidung ausfällt, meine Bitte nicht als Zudringlichkeit beurteilen, sondern darin nur meine glühende Begeisterung für unsere hohe Sache und ihren großen und edlen Führer erblicken wollten, verbleibe ich

in tiefster Verehrung

Ihre ergebene Schülerin

Ida Altmann.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
05.08.1904
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 8757
ID
8757