Auguste Bleek an Charlotte und Carl Gottlob Haeckel, Bonn, 19. Februar 1864

Bonn den 19t Februar 64.

Liebe Lotte und Ihr meine Lieben Alle, die Ihr so tief betrübt bei einander seid!

wie sehr hat uns die gestern erhaltene Nachricht von dem Tode unserer lieben Anna erschüttert! und mit welchen Sorgen denke ich zu Euch hin! der arme Ernst! sein schönes Glück so plötzlich zertrümmert! noch fehlt uns nähere Nachricht, die ich eigentlich hoffte heute von Bertha zu erhalten. Ihr lieben theuren Eltern müßt einen so schmerzlichen Schlag erleben! Du liebste Lotte und Häckel Ihr seid ja zusammen bei Ernst; wo Mimichen ist, weiß ich gar nicht und muß so viel ihrer gedenken; wenn sie in Jena ist grüßt sie von Herzen, ich schreibe ihr sobald ich weiß wo sie ist. Wir hatten Anna sehr lieb und gern gedachte ich der Zeit, wo sie bei uns war und wie ich weiß gern bei uns war, weil sie sich so recht mit uns eingelebt hatte.

Am 16ten sollte mit Ernst Geburtstag mir Veranlassung seina ihr mal wieder zu schreiben und es bewegte || sich in mir so recht der Wunsch sie aufzufordern mit Ernst im Frühjahr zu uns zu kommen. Ich wurde am schreiben verhindert, ohne zu ahnden, daß das ihr Todestag war. Ihr lieben Theuren! ich weine von Herzen mit Euch; aber blicke auch mit Euch auf zu dem in dessen Hand Leben und Sterben ruht, der der Quell aller wahren Liebe ist und uns also nichts anders als Liebesgaben geben kann, wie bitter uns seine Fügungen auch drücken mögen. Wir lernen es in solchen Zeiten erst verstehen, daß wir hienieden nicht im Schauen sondern im Glauben wandeln.

So laßt uns getrost die Glaubenshand ergreifen, die der uns darreicht, der dem Tode die Macht genommen und Leben und unvergängliches Wesen und Licht gebracht hat. Die Liebe hört nimmermehr auf, in ihr ruht auch unser Zusammenhang mit denen die uns vorangegangen sind zu einer || höhern Entwickelung und auch uns ist ihr Tod eine höhere Entwickelung wenn wir um sie nicht trauern, wie die, die keine Hoffnung haben; aber der Schmerz ist doch da und will seine Kraft haben und greift mächtig in unser Dasein ein.

Mit Sorgen, meine geliebte Lotte! denke ich auch Deiner, die Du mit so angsterfülltem Herzen die Nachtreise gemacht hast; aber was wird es Deinem Ernst gewesen sein Dich in seine Arme zu schließen! Es wird Euch schwer werden mir Nachricht zu geben und doch möchte ich so sehr darum bitten; sind Karl und Heinrich noch bei Euch, so thun sie mir vielleicht den Gefallen und schreiben mir etwas Näheres über das schmerzvolle Ereigniß und auch wie es Euch geht. Am 22ten Abends muß ich meinen Brief nach B. A. auf die Post geben; gerne wüßte ich vorher Näheres, um es dort mittheilen zu können. ||

In meinem Briefe, den ich heute von Georg Reimer erhielt, theilt mir derselbe mit, daß Julius aus dem Lazareth in Flensburg, wo er wegen verfrorener Füße gelegen, b mit vielen Verwundeten nach Berlin und Potsdam gebracht ist. Doch darüber werdet Ihr wohl Nachricht haben. Es war am 17ten.

Gott tröste Dich, mein lieber Ernst! halte Dich an ihn, der Dir den köstlichen Schatz eines schönen Zusammenlebens gab, auf welches Du als eine reiche, wenn auch kurze Vergangenheit, mit Dank und Freude zurückblicken wirst. Ich weiß es wie schmerzvoll ein solches Erinnern zuerst ist, aber es wird doch immer mehr zu einem freudigen, wenn auch wehmüthigen Fortleben der Lieben mit uns, das uns ins Leben, uns in Arbeit und Freude des Lebens hineinführt.

Seid Alle Alle herzinnig gegrüßt von Eurer mit Euch trauernden und weinenden

Auguste Bleek.

a eingef.: sein; b gestr.: nach

Brief Metadaten

ID
7006
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Datierung
19.02.1864
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,1 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7006
Zitiervorlage
Bleek, Auguste an Haeckel, Charlotte; Haeckel, Carl Gottlob; Haeckel, Ernst; Bonn; 19.02.1864; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_7006