Wilhelm Cloetta (Dekan) an die philosophische Fakultät der Universität Jena, Jena, 7. Oktober 1901

Philosophische Fakultät

der Universität Jena

Jena, den 7.X.01

Hochgeehrte Herren Kollegen!

Herr Dr. Paul Ehrenberg hat die Zulassung zur Habilitation für das Fach Landwirtschaftslehre nachgesucht. Die vorgeschriebenen Bedingungen sind erfüllt.

Ueber die eingereichte Abhandlung:

„Roggen und Weizen in ihren gegenseitigen Beziehungen während der letzten 30 Jahre für Deutschland dargestellt“

bitte ich Herrn Koll. Settegast das Referat und Herrn Koll. Pierstorff das Correferat zu erstatten.

Hochachtungsvoll

Cloetta

d. Z. Dekan

Ich übernehme das Referat. Prof. Settegast ||

Decane maxime spectabilis!

Der Verfasser hat sich die Aufgabe gestellt, das verschiedene Verhalten von Weizen und Roggen in Bezug auf Produktion, Handel und Consumtion einer Untersuchung zu unterziehen. Nach Darstellung der historischen Entwickelung, der Einführung des Gebrauches beider Brodfrüchte wird die verschiedene Ausdehnung der Anbaufläche statistisch festgestellt; die Ertragsmengen, Import und Export und die wechselnde Preisgestaltung beider Früchte werden verglichen. Bei dem eigenthümlichen Verhalten der beiden Früchte, der großen Anbauausdehnung des Roggens und der geringeren Anbaufläche des Weizens in Deutschland gegenüber dem umgekehrten Verhältniß in außerdeutschen Länder bieten die Ergebnisse der Untersuchungen eine Grundlage für werthvolle Schlüsse, die z. B. in Bezug auf die zollpolitische Behandlung, dann aber besonders auf die Organisation der Privatwirthschaft zugezogen werden können. Das wechselnde Preisverhältniß zwischen Weizen und Roggen verleitet oft den Landwirth zu einer Gestaltung seines Pflanzencultur-Planes, wie es den augenblicklichen Verhältnissen angemessen zu sein scheint, aber nicht der dauernden Entwickelung der Wirthschaft zur Erzielung höchster Reinerträge entspricht. Eine klare Belegung der Verhältnisse, wie sie der Verfasser bietet, gewährt somit einen Anhalt für die richtige Bemessung der Ausdehnung beider Früchte, wie sie vor allen Dingen auch im Hinblick auf die natürlichen Verhältnisse festgestellt werden muß. Das Ergebniß der Arbeit, vom landwirthschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, ist interessant und werthvoll. Den volkswirth||schaftlichen Werth der Arbeit, namentlich auch in Bezug auf die Methode der statistischen Untersuchung, dürfte dem Herrn Correferenten obliegen, weshalb ich mich auf die Bewerthung der Arbeit in landwirthschaftlicher Beziehung beschränkt habe. Nach meinem Dafürhalten bietet die Arbeit eine gute Leistung, die dem Zwecke der Habilitation voll entspricht.

Settegast

Zu meinem größten Bedauern kann ich dem günstigen Urtheile, das Herr College Settegast über die Habilitationsschrift des Herrn Dr. Ehrenberg abgegeben hat, nicht zustimmen.

Zunächst habe ich an ihr auszusetzen, daß sie, obwohl sie einer Bewerbung um die venia docendi für Landwirtschaftslehrer zu dienen bestimmt ist, von den letzten beiden Seiten abgesehen, nichts enthält, was die wissenschaftliche Befähigung für dieses Wissenschaftsgebiet beweist. Sie bietet lediglich nationalökonomisch-statistische Ausführungen, wie sie auch von Nicht-Landwirten geliefert werden können. Doch will ich auf diesen Umstand weniger Gewicht legen. Das Entscheidende ist m. E., daß die Arbeit in keiner Weise den wissenschaftlichen Anforderungen genügt, welche an eine Habilitationsschrift gestellt werden müssen. Sie sucht Dinge ausführlich nachzuweisen, die keines Beweises mehr bedürfen, da sie seit langem notorisch sind. Auch methodisch befriedigt die Arbeit nicht, da || der Verfasser in der Hauptsache nur mit Material arbeitet, welches das Handwörterbuch der Staatswissenschaften enthält. Ein so hervorragendes Nachschlagewerk, wie dieses, darf gewiß bei wissenschaftlichen Arbeiten gelegentlich als Hülfsmittel benutzt werden, kann aber mit seinen summarischen Darlegungen nicht als Haupt- und Urquelle für wissenschaftliche Statistiken gelten.

Demnach beantrage ich im Gegensatz zum Herrn Referenten die vorliegende Arbeit zurückzuweisen.

30. Nov. 01

Pierstorff

Da der Inhalt der Habilitations-Schrift in erster Linie die Landwirthschaft, und erst in zweiter Linie die Staatswissenschaft betrifft, ist für mich das Votum des Herrn Collegen Settegast maaßgebend. Ich stimme umso mehr für Zulassung des Dr. Paul Ehrenberg zum Colloquium, als ich seiner wissenschaftlichen Befähigung und seinem energischen Fleiße (– übereinstimmend mit anderen Zeugnissen –) aufgrund eigener Erfahrung nur das beste Lob ertheilen kann.

Haeckel

Ich beantrage Consess Delbrück

Gelzer

Goetz

Stahl

gel. Winkelmann

Brief Metadaten

ID
47720
Gattung
Zirkularbrief
Institution von
Philosophische Fakultät der Universität Jena
Institution an
Philosophische Fakultät der Universität Jena
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Zielort
Zielland
Deutschland
Datierung
07.10.1901
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
22,0 x 33,0 cm
Besitzende Institution
UAJ
Signatur
UAJ, M 650, Bl. 33r-34r
Zitiervorlage
Cloetta, Wilhelm an Settegast, Henry; Pierstorff, Julius et al.; Jena; 07.10.1901; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_47720