Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes und Ernst Haeckel, Potsdam, 14. Juni 1873

Potsdam 14/6 73.

Liebe Agnes!

Herzlich danke ich Dir für die heute erhaltenen Zeilen. Hast Du dadurch mich wieder in Deine Häuslichkeit eingeführt, und ich freue mich über Euer Wohlergehn. Gott behüte Euch ferner. Wie lieb ist es mir, daß Du doch Dich leidlich fühlst; ich bitte Dich aber dringend: mache Dir ja täglich Bewegung, sei soviel als möglich in der frischen Luft; das stärkt Dich und hilft die Zeit, die Du vor Dir hast, glücklich zu überstehn; vor allem muß ich Dich noch dringend bitten, laß ja nicht die Kinder so sehr auf Dich liegen und besonders halte Walter streng, daß er || bei seinem lebhaften, unbändigen Wesen Dich nicht stößt. Grüsse und küsse mir die beiden Lieblinge recht herzlich, und sage ihnen wie sehr ihre alte Großmutter sich freut, wenn sie ihrer lieben Mama gehorsame Kinder wären. Wie sehr leid thut es mir für Deinen Bruder, daß sein häusliches Leben so bald getrübt ist, und wieviel Sorge und Angst wird Deine liebe Mutter und ihr alle gehabt haben. Nun wir wollen uns freuen, daß es Deiner Schwägerin doch scheint wohl zu gehn, möge sie sich nur bald völlig erholen; und keine nachtheiligen Folgen für ihre Gesundheit bleiben. ||

Deine Schwester Marie denkt mit allen Kindern nach Sulze zu gehn, ich denke da werdet Ihr sie doch öfter sehn, das ist Euch ja so nahe.

Wie sehr muß es Euch Beide bewegen, wenn Gegenbauer den Ruf nach Heidelberg annimmt, und was man doch für sie Beide nur wünschen kann, Euch wird es allerdings sehr fehlen, schon daß Ihr Beide Befriedigung in ihrem Umgang findet, es ist ja so selten der Fall, daß Mann und Frau sich gegenseitig gefallen. Du, mein lieber Ernst, hast ja nun über 10 Jahr im innigsten Verkehr mit Gegenbauer gestanden, und hast mit ihm so viel erlebt und einen Seelenaustausch mit || ihm gehabt, wie es nur selten ist, und ich weiß was Du entbehren wirst, aber mache Dir es nicht zu schwer, Ihr werdet Euch innerlich immer nahe bleiben, und ein Gedankenaustausch wird zwischen Euch bleiben, wenn auch anders wie jetzt, ein schriftlicher Verkehr ist auch schön, und Ihr werdet Euch ja öfters in den Ferien sehn.

Von Karl hatte ich heute auch einen Brief, den ich Euch zum Lesen mitschicke, mir aber zurück zu schicken bitte. Auch von Bertha bekam ich eine Kartte, darnach wird sie in die Luckenwalderstraße ziehen, das wird Dich Ernst interessieren. Euch allen innigen Gruß von Eurer alten Mutter Lotte.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.06.1873
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36530
ID
36530