Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Berlin, 16. März 1872

Berlin 16/3 72.

Meine liebe Agnes!

So oft habe ich in Gedanken Dir gedankt für Deinen lieben Brief und die darin enthaltene gute Nachricht von Euerem Ergehn, daß ich jetzt wirklich nicht weiß, ob ich Dir geschrieben habe oder nicht; und ich will lieber doppelt schreiben, als gar nicht. Wie lieb ist es mir, daß Ihr, Lieben, jetzt alle gesund seid. Gott erhalte euch ferner so. Die Plage des Decanats naht sich ja auch dem Ende, und wenn es vorüber ist, || wird unser Ernst sich freuen es gehabt zu haben, gewiß hat er dabei manche Lebenserfahrung gemacht. –

Unsere Potsdammer sind wohl, wie mir vorgestern Clara sagte, die mir die beiden Berlin Potsdam Magdeburger [Eisenbahn] Actien von Ernst brachte, was mir lieb war, damit ich gestern gleich das Geschäft bei Joachim abmachen konnte. Bei mir drängt die Zeit und alles, was vor der Uebersiedelung nach Potsdam gemacht werden muß, daß ich mich immer freue, wenn was beseitigt ist. – ||

Bei mir fängt es an recht bunt auszusehn, die Gardinen sind alle abgenommen, in dieser Woche war Wäsche, die nun glücklich bis aufs Plätten vorüber ist; wann das sein wird können, davon habe ich noch keinen Begriff, übermorgen erwartte ich den Tischler, daß er mir die Kisten vom Boden bringt, und die Deckel dazu in Stande setzt, dann werde ich nach und nach packen; wobei mir mein neues Mädchen helfen soll, sie ist gestern angekommen, und ich bekam || Anfangs einen Schreck, ob es wohl gehn würde, da sie erst 16 Jahr alt ist; aber heute habe ich auch mich überzeugt, daß sie eine tüchtige Anleitung gehabt hat, und ich glaube, ich werde mich gut mit ihr einrichten. – – Clara sagte mir unser Student sei recht heiter und frisch.

Ach, liebe Agnes, wie müssen wir Gott danken, daß diese schwere Sorge, die wir um den Jungen hatten, so schnell gehoben ist, und wie angstvoll sah ich seinet wegen in die Zukunft. – ||

Mit Heinerich geht es immer noch nicht nach Wunsch, die Knöchel sind wieder geschwollen, ich fürchte, das dauert noch lange, ehe er sich erholt. – Heute war Helehne einen Augenblick bei mir, die sagte Gertrudchen wäre sehr angegriffen, das ist nun wohl kein Wunder, dauert doch Heinrichs Krankheit schon wieder Wochen, und sie hat ihn Tag und Nacht allein gepflegt. –

Von der Weiß habe ich in diesen Tagen nichts gehört, wenn ich irgend kann, denke ich morgen hin zu gehn. ||

Sage Ernst, daß ich jetzt oft in seiner Uttrechter Arbeit lese, und wenn darin auch für mich manch böhmisches Dorf ist, so freue ich mich doch über die Arbeit meines lieben Sohns. –

Ich weiß nicht, ob ich es Euch schon geschrieben habe, daß ich unser Clavier an Frau Lachmann geschenkt habe. – Vaters Gesetzessammlung wird Liskow nehmen, was mir sehr lieb ist, da er sie brauchen kann; Karl wollte sie schon als Makulatur ver-||kauffen, da die jungen Juristen jetzt kleinere Bücher dafür hätten. –

Liskow hat viel Aerger durch die jetzigen kirchlichen Wirren, das thut mir für ihn leid. –

Deinen beiden lieben Kindern gieb von mir einen Kuß, und Dich grüßt mit Deinem Mann aufs herzlichste

Euere alte Mutter

Lotte Häckel.

Helehne sagte mir heute auch, daß sie Ende dieses Monats ihre Mutter erwartet. – ||

Tante Bertha ist heute nach Potsdam zu einem kleinen Zauberfest, was den Kindern bereitet ist. – –

Brief Metadaten

ID
36459
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
16.03.1872
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
14,1 x 22,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36459
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Agnes; Berlin; 16.03.1872; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36459