Schultze, Fritz

Fritz Schultze an Ernst Haeckel, Dresden, 21. Januar 1877

Dresden, den 21. Jan 1877.

Leubnitzerstraße 20I.

Hochverehrter Herr Professor!

Sie werden ohne Zweifel schon gehört haben, welch’ großen Verlust unsere Anstalt durch die Berufung Koenigsbergers nach Wien erlitten hat. Es war dagegen gar nichts zu machen die Bedingungen waren so glänzend in jeder Beziehung, daß alle sächsischen möglichen Gegengebote dagegen wie nichts erschienen. Koenigsberger war das Haupt der Reformpartei und trotz des Directors der eigentliche Dirigent aller Neuerungen; zwar wird versichert || daß trotz Koenigsberger’s Abganges alle Reformen ausgeführt würden, allein „mir fehlt der Glaube“. Die Gegenpartei ist groß, und nur durch einen so überlegenen Taktiker, wie Koenigsberger ist, konnten alle feindlichen Schanzen genommen werden. Sie waren größtentheils schon genommen, aber ob sie jetzt nicht zurückerobert werden, ist mir sehr fraglich. Vielleicht sehe ich zu schwarz, allein ich sehe so. Mir erwächst aus Koenigsberger’s Fortgang ein a hier ganz unersetzlicher persönlicher Verlust; Koenigsberger gab mir hier die größten Anregungen, und wir waren freundschaftlich einander sehr nahe gerückt. Jetzt hätte ich nichts mehr dagegen, || wenn irgend ein günstiges Geschick mich von hier wieder entführte, so befriedigend ja sonst meine Lehrthätigkeit hier auch ist. Koenigsberger empfindet sein Fortgehen als eine Art persönlicher Schuld gegen mich, obgleich ich es viel zu objectiv ansehe, als daß ich dies fordern zu können glaubte, und wird deshalb nach seinem Fortgange für mich ohne Zweifel Förderliches genug thun doch die Zukunft ist unsicher und „varium et mutabile semper“ homo. Ich schreibe Ihnen alles dieses Straßburgers wegen, doch nicht etwa zu weiterer freier Benutzung. Es ist besser, man schweigt über solche Dinge. Ich hätte gerne an Straßburger selbst geschrieben, wenn ich sicher gewußt hätte, || daß er noch in Nizza ist. Da ich in letzter Zeit ohne Kunde von ihm bin, wähle ich diesen Umweg durch Sie vielleicht können ihm meine Mittheilungen bei etwaigen wichtigen Entscheidungen nicht ganz werthlos erscheinen.

Der Verleger des von mir übersetzten Huxley’schen Buches möchte gern auf das Titelblatt einige Personalien unter Huxley’s Namen setzten. Ist Huxley nicht Professor an der Universität zu London? Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie mir eine kurze Mittheilung darüber machen wollten.

Meine Frau läßt sich Ihnen und Ihrer verehrten Frau Gemahlin bestens empfehlen, und dem schließt sich natürlich an

Ihr wahrhaft ergebener

Fritz Schultze.

a gestr.: g

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.01.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16336
ID
16336