Ludwig Plate an Max Vollert, Jena, 9. Juli 1909

Abschrift.

Zoologisches Institut und

Phyletisches Museum

der Universität Jena

Jena, den 9. Juli 1909

Sehr verehrter Herr Staatsrat!

Auf Ihr Schreiben vom 2./7 erwidere ich ganz ergebenst das folgende, wobei ich mich der Einfachheit halber an Ihre Reihenfolge halte.

Ad 1. Der von mir beschaffte Schlüssel zu den Haeckelschen Räumen folgt anbei zurück.

Ad 2. Eigentuma des zoolog. Instituts sind auch die aus den Mitteln der Ritterstiftung angeschafften Bücher. Es müssen also auch diese, soweit sie sich im Phyletischen Museum befinden, zurückgeliefert werden.

Ad 3. ist erledigt. Ich möchte aber Exc. Haeckel bitten, denjenigen Personen, welchen er irrtümliche Mitteilungen gemacht hat, den wahren Sachverhalt bekannt zu geben, da in der Stadt ganz unsinnige Gerüchte circulieren.

Ad 4. Das Verzeichnis der fehlenden Bücher folgt anbei. Es sind 267 Nummern in ca 300 Bänden, da eine Anzahl mehrbändiger Werke darunter sich befinden, z. B. 2 Konversationslexika.b Da Exc. Haeckel nur 3 davon in seiner Wohnung entdeckt, während über 200 Bücher nach Ausweis der Rechnungen fehlen, wobei alle „für den Tauschverkehr“ bestimmten Bücher überhaupt nicht notiert || wurden, so muß hier ein Mißverständnis obwalten. Aus einer Bemerkung, welche Herr Geh. R. Rosenthal mir gegenüber vorigen Sonntag machte, glaube ich dieses Mißverständnis darin sehen zu dürfen, daß Exc. Haeckel alle diejenigen Bücher als sein Privateigentum betrachtet, welche aus der Ritterstiftung bezahlt wurden. Eine solche Auffassung wäre juristisch unhaltbar, da der Ordinarius der Zoologie wohl „nach freiem Ermessen“ unter Genehmigung der Regierung über die Erträgnisse der Stiftung verfügen, aber selbstverständlich die so angeschafften Bücher, Mikroskope etc. nicht als sein Privateigentum ansehen darf, da die Stiftung ein Geschenk an die Universität ist. An der Rücklieferung und Katalogisierung jener Bücher muß ich daher unbedingt festhalten.

Ad 5. einverstanden.

Ad 6. Exc. Haeckel hat mir schriftlich bei unsern Verhandlungen erklärt: „ich behalte mir nur vor die Benutzung einiger Räume“ im phyletischen Museum (Brief vom 17. Juni 1907) und er hat in seinem Briefe vom 7. Januar 09 abermals erklärt: „daß für mich persönlich 3 Zimmer reserviert bleiben (Archiv, Bibliothek u. Arbeitszimmer).“ Dazu habe ich mich mit einer officiellen Erklärung am Schlusse unserer Verhandlungen bereit erklärt.

Exc. Haeckel hat also nicht das Recht, über seinen Tod hinaus Bestimmungen zu treffen, ohne sich mit mir darüber auseinander zu setzen, denn mit dem Tode erlischt die || persönliche Benutzung. Ich bin aber selbstverständlich gern bereit seinen Wünschen entgegenzukommen, soweit die Interessen des Museums und des Instituts, welche ich zu vertreten habe, nicht darunter leiden. Ich mache daher folgenden Vorschlag:

Das Archiv (Mittelzimmer) richtet Exc. Haeckel so ein, wie es für alle Zeiten bleiben soll und die von ihm geschaffene Anordnung wird ausdrücklich als bindend anerkannt, sobald Exc. Haeckel erklärt, daß sie vollendet ist. Für die beiden anderen seitlichen Räume (Bibliothek, Arbeitszimmer) wird der jeweilige Direktor des Museums zu pietätvoller Bewahrung der von Exc. Haeckel getroffenen Anordnungen verpflichtet, aber unter dem ausdrücklichen Zusatz: „soweit die Interessen des Museums und des zool. Instituts hiermit nicht collidieren“, da wir mit späteren veränderten Bedürfnissen rechnen müssen. Mit der Überwachung dieser Vorschriften durch den jedesmaligen Kurator der Universität unter eventueller Mitwirkung des Anatomen bin ich einverstanden.

Ad. 7. Das in meiner officiellen Schlußabmachung Exc. Haeckel gegebene Versprechen: „Es wird mir eine ganz besondere Freude sein, als Direktor des phyletischen Museums Ihnen die gewünschten 3 Räume im Obergeschoß (Archiv, Bibliothek und Arbeitszimmer) einzuräumen und das Museum mit Ihnen zusammen und nach Ihren Intentionen einrichten zu können“ besteht unverändert fort, und es ist mir der Wunsch geäußert worden, wie Sie schreiben, die „Aufstellung der Sammlungen und überhaupt || die ganze innere Einrichtung ganz selbstverständlich vorzunehmen.“ Will sich Exc. Haeckel „in gemeinsamer freundschaftlicher Arbeit“ daran beteiligen, so ist er mir jederzeit willkommen.

Ad. 8. Meine scharfen Urteile über die Art und Weise, wie Exc. Haeckel sich gegen mich benommen hat, kann ich nicht zurücknehmen, weil sie vollständig der Wahrheit entsprechen. Exc. Haeckel weiß sehr wohl, daß er die mir schriftlich, mündlich und telegraphisch vor meiner Berufung gegebenen Versprechungen sofort nicht gehalten hat, als ich einmal in Jena war. Dieses mir zugefügte schwere Unrecht läßt sich nicht mehr aus der Welt schaffen, ich will ihm aber in Anerkennung seiner großen Verdienste um die Wissenschaft und weil er mein früherer Lehrer ist, verzeihen.

Ad. 9. Schon vor mehreren Monaten hieß es, daß keine Rechnungen mehr ausstünden. Trotzdem sind solche in ansehnlicher Höhe (eine sogar von 1000 Mk für den Architekten) präsentiert worden. Damit wir nun endlich reine Bahn bekommen, möchte ich vorschlagen, daß Exc. Haeckel mehreremale in den Zeitungen eine Aufforderung erläßt: „Phyletisches Museum. Alle noch ausstehenden Rechnungen über Lieferungen und Arbeiten aus der Zeit vor dem 1. April 1909, müssen sofort eingereicht werden. Ernst Haeckel.“ Ist es Exc. Haeckel lieber, daß ich diese Aufforderung in der Zeitung erlasse, so bin ich dazu bereit.c

Ich werde mit der Bestellung der Schränke warten bis diese Aufforderung erschienen ist. Die || Angelegenheit des Stipendiums für Dr. Schmidt bedarf ebenfalls der Erledigung.

Ich bitte um Aushändigung aller Akten, die sich auf das phyletische Museum beziehen, da ich ohne deren Kenntnis vielleicht Irrtümer begehe. Will Exc. Haeckel die Originale behalten, so genügt eine Abschrift.

Von einer mündlichen Verhandlung bitte ich d abzusehen, denn wenn Exc. Haeckel dazu mit einem juristischen Beistand erscheint, so müßte ich auch einen solchen mitbringen, wodurch, wie ich fürchte, nur neue Complicationen geschaffen werden. Wünscht Exc. Haeckel privatim mit mir zu unterhandeln, so bin ich jeder Zeit dazu bereit.

Ich bin jetzt Exc. Haeckel soweit entgegengekommen, wie ich es mit meinem Pflichtgefühl verantworten kann und bitte daher dieses Schreiben als mein Ultimatum anzusehen, da der Streit endlich einmal ein Ende finden muß.

Ist Exc. Haeckel mit den ad. 4 und ad. 6 gemachten Vorschlägen und Forderungen nicht einverstanden, so halte ich eine weitere Verständigung für ausgeschlossen und werde dann in einer Eingabe mich direkt an die hohen Regierungen der 4 Erhalterstaaten wenden. Ich bitte ergebenst mir die Entscheidungen von Exc. Haeckel mitzuteilen, damit ich || weiß, ob ich den früheren Protest gegen die Schenkungsurkunde vom 4. Mai einziehen kann oder aufrecht erhalten muß. Sollte irgend ein Zusatz zu dieser erfolgen, so bitte ich um eine Abschrift, damit ich zu ihr Stellung nehmen kann.

Ihnen für Ihre freundliche Vermittlung in dieser ganzen Angelegenheit herzlichst dankend

Ihr hochachtungsvollst ergebener

(gez.) Ludwig Plate.

a korr. aus: Eigetum; b mit Einfügungszeichen eingef.: 1) Es sind 267 Nummern in ca 300 Bänden, da eine Anzahl mehrbändiger Werke darunter sich befinden, z. B. 2 Konversationslexika.; c mit Einfügungszeichen eingef.: Ist es Exc. Haeckel lieber, daß ich diese Aufforderung in der Zeitung erlasse, so bin ich dazu bereit.; d gestr.: ,

Brief Metadaten

ID
10988
Gattung
Briefabschrift
Verfasser
Empfänger
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
09.07.1909
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
6
Umfang Blätter
4
Format
33,0 x 21,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10988
Zitiervorlage
Plate, Ludwig an Vollert, Max; Jena; 09.07.1909; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_10988