Elisabeth Gegenbaur an Walter Haeckel, Heidelberg, 1. November 1920

Heidelberg 1. Nov. 1920

Sehr geehrter Herr Haeckel.

Heute kann ich Ihnen endlich auf Ihre Anfragen eingehend antworten, aber zuvor möchte ich Ihnen nochmals meinen wärmsten Dank sagen für die so sehr freundliche Übersendung des Aquarelles von der Hand Ihres verehrten Vaters. Sie können sich denken, wie sehr ich mich darüber gefreut habe; ich werde es immer ganz besonders hoch in Ehren halten. Weckt es doch bei mir auch so viele schöne Erinnerungen. Wie oft durfte ich Ihrem Herrn Vater zur Seite stehen, und zuschauen wenn er arbeitete und gerade bei diesem Aquarell von Heiligenberg erinnere ich mich noch genau, wie es entstand. Sie haben mir also eine unendlich grosse Freude bereitet.

Was nun die Veröffentlichung der Briefe betrifft so haben wir drei Geschwister1 alle so ziemlich die gleiche Ansicht, dass derselben von unserer Seite nichts im Wege steht, besonders wenn meinem Bruder dabei Gelegenheit gegeben ist, die Briefe meines Vatersa einzusehen und zu sichten.

Die Briefe Ihres Herrn Vaters sind leider aus den letzten Jahren wohl nicht mehr alle vorhanden, was wir sehr bedauern. Mein Vater hat in seinen letzten Lebensjahren wenig von seiner Correspondenz mehr aufgehoben. Deshalb wird eine genaue Gesamterstellung der Briefe wohl nicht einzuhalten sein, obgleich wir diese Art der Veröffentlichung wohl am geeignetsten halten. Wir sind natürlich auch Ihrer Ansicht, dass alles Menschliche-Allzumenschliche ausgeschaltet werden soll; obwohl wir finden, dass man darin auch nicht zu rigoros sein || darf, um die Persönlichkeiten nicht abzuschwächen. So manche offene und freimütige Aussprache über Zeitverhältnisse und Zustände, die die damals Lebenden vielleicht verletzt hätte, wirkt doch heute nur erfrischend und ist für uns Nachkommen besonders interessant. Es würde sich dabei natürlich auch darum handeln welchen Charakter die Veröffentlichung tragen soll, ob sie nur für die Wissenschaftler oder auch für ein breiteres Publikum bestimmt ist.

Nun glaube ich Ihnen ziemlich genau unsere Ansicht mitgeteilt zu haben und bin natürlich stets zu jeder weiteren Auskunft bereit.

Nicht versäumen möchte ich Ihnen auch für die Zusendung des Nachrufes zu danken, den ich mit großem Mitempfinden gelesen habe; es war sehr freundlich von Ihnen, dass Sie an mich dachten. Wenn man, wie ich, das Glück gehabt hat, Ihren verehrten Herrn Vater so genau zu kennen und seine Güte und Liebenswürdigkeit in solchem Masse zu empfinden, der wird nie den tiefen Eindruck seiner bedeutenden Persönlichkeit vergessen.

Nehmen Sie nochmals meinen wärmsten Dank und die besten Grüsse

von Ihrer

Else Gegenbaur

a eingef.: Vater

Brief Metadaten

ID
10197
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
01.11.1920
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
22,0 x 28,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 10197
Zitiervorlage
Gegenbaur, Elisabeth an Haeckel, Walter; Heidelberg; 01.11.1920; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_10197