Mathilde Ade an Ernst Haeckel, München, 4. Oktober 1911
München 4.X.11.
Hochgeehrter Herr Professor!
Sie haben mir mit der gütigen Erfüllung meiner Bitte eine große Freude bereitet und ich danke Ihnen recht herzlich für die mir niedergeschriebenen sinnigen und gehaltreichen Sätze aus dem Schatz Ihres Wissens als Dokumente Ihrer Weltanschauung.
Sollten Sie den Wunsch haben, von Ihrem Exlibris eine Auflage zu besitzen, will ich Ihnen das Klischee sehr gerne zur Verfügung stellen und auch den Druck der Blätter vermitteln. Ich stehe mit einem vorzüglichen Drucker in Görlitz in Verbindung, der meiner Berechnung nach für 300 solcher Exlibris vielleicht 8 Mark verlangen || dürfte, für 500 vielleicht 11 Mark ungefähr. Ich würde ihn dann beauftragen, Ihnen die Auflage nebst Originalrechnung direkt zuzusenden, sofern Sie mir die Weisung erteilen, Ihnen den Auftrag zu vermitteln.
Ihre prächtigen „Kunstformen der Natur“ besitze ich selbst zwar nicht komplett, aber doch zum großen Teil und hatte somit schon Gelegenheit, mit Ihren feingegliederten Radiolarien u. Medusen bekannt zu werden. (terminus technikus für häkelnde Mädchen „Haeckel-Muster“) Ich habe derzeit mit Ihrem Einverständnis die bekannte Sepia als Ihr Wappentier gewählt, nicht nur weil die vulgäre Bezeichnung „Tintenfisch“ einen ganz netten Beigeschmack für einen Mann des Wissens und der Feder hat, sondern auch, weil die Sepia als höchstentwickelter Cephalopode in sinniger Weise auf den Fortschritt des Geistes hinweist. Die Sterne am Firmament und die Seesterne im Wasser treten sich als Verkörperungen des Mikro- und Makrokosmos gegensätzlich gegenüber. Bei Bibliothekzeichen || handelt es sich doch in erster Linie um die sinnige Verkürzung eines für den Eigentümer charakteristischen Gedankens und von diesem Standpunkte ausgehend, glaube ich mit Radiolarien und Medusen auf einem Exlibris für Sie, sehr geehrter Herr Professor, nichts Neues mehr erzählen zu können. Ich könnte nur noch Varianten bringen, die allerdings unter Ergänzung Ihres treffenden Citates über Gott u. Welt, Geist und Natur, Kraft und Stoff von markanter Wirkung sein könnten.
Ich harre also mit Vergnügen Ihrer weiteren eventuellen Verfügungen betreffs Druck einer neuen Auflage etc. und bin nochmals mit dem Ausdruck meines allerschönsten Dankes für die mir gewidmeten Zeilen und Ihre schöne sympathische Bildniskarte
Mit vorzüglicher Hochachtung und Verehrung
Mathilde Ade
München Maillingerstr. 52 II.
Mit Bedauern hörte ich auch von Ihrem Mißgeschick wegen Ihrer Erkrankung. Möge Ihnen recht baldige gründliche Genesung beschieden sein, damit Sie mit Ihrem Wirken und Schaffen die Mitwelt weiter erfreuen und belehren können.
bitte wenden! ||
Sollten Sie die Exlibris in Bücher einzukleben wünschen, wäre die Auflage besser gummiert und auf kräftigerem Papier zu bestellen.