Daniel Georg Becker an Ernst Haeckel, o. O., 28. Januar 1903
Hochverehrter Freund.
Sie haben zwar eine riesige Vorstellungs-Gabe! aber wie mich Ihre Mittheilung „gelegentlich einen Abstecher nach Rödelheim machen zu wollen, und zwar zum Becker“, erfreut hat, das können Sie sich doch nicht ganz vergegenwärtigen!
Wenn ich’s nur noch bei meinem Herzklappenfehler erlebe! – Ich hätte schon lange geschrieben, hätte es mir die ungeheuere Aufregung gestattet. – Sogar noch jetzt muß icha mir Gewalt anthun, soll ein Schreiben an Sie sich nicht im Gestrüpp der Gickelsfüße bis zur Unkenntlichkeit verlieren.
Sie sehen ja den Zickzackkurs!
Wenn Sie aber kommen, dann lassen Sie es mich vorher wissen, damit ich die Schüler für die Zeit unseres Zusammenseins abstreife. Mein Freund Commerzienrath Carl Trapp in Friedberg beglückwünscht mich eben zu Ihrem Besuche. ||
Trapp ist mir den „Hertwig“ verwandt. Ich lernte den einen Bruder bei ihm, als ich noch zu ihm, Trapp, kam, oberflächlich kennen. Jetzt verkehre ich schon seit circa 10 Jahren nur brieflich mit Trapp, weil ich mich unterfing, seine Frau „der Lüge vor ihnen zu zeihen“. Das vergißt ein Weib nicht! Aber den herzlichsten Briefverkehr konnte ihre Rache doch nicht unterdrücken. Trapp und ich blieben aufrichtige Freunde! Das sind so Sachen von geistigem Schmutz, den manche Weiber sich in ihrer Seele, ohne abzuwischen, anhäufen lassen! S’ist menschlich! Viele Männer machen’s nicht besser! Sie, verehrter Freund! werden auch ein Lied davon singen können! Denn Ihr großes Streben muß wie vielmal in Gegensatz mit männlichen Dreckseelen treten! „Kleines Denken, großes Henken! „Bat sei“! sagt Fritze im Galgenhumor!
Eine Schülerin kommt! Schluß!
Herzlichste Grüß von Haus zu Haus!
Ihr Becker
28/1/3
a eingef.: ich