Stuttgart; 11 Aug. 1881.
Hochgeehrter Herr Professor!
Sie haben mir durch Ihre freundliche Zuschrift, – abgesehen von der Uebersendung der erbetenen Carten, – ein sehr großes Vergnügen bereitet, wofür ich Ihnen verbindlichst danke. – .
	Ich brauche wohl kaum zu versichern, daß ich mir eine besondere Ehre daraus machen würde eines Ihrer Werke zu illustriren, – sowie daß mir das von Ihnen in Aussicht gestellte, als die mir vertraute Tropennatur behandelnd, – doppelt willkommen wäre, u. so erlaube ich mir denn, Ihrem Wunsche entsprechend, – Ihnen – nicht „Rathschläge“ zu ertheilen, sondern kurz und gut auseinander zu setzen, wie ich es in analogem Falle halten würde, um mit dem geringsten Aufwande an Zeit u. Mühe eine möglichst große Zahl von zu Illustrationen brauchbaren Skizzen und Photographien nach Hause zu bringen: ||
	– Mit Photographie allein kommt man nicht recht durch, – da diesselbe [!] wohl sehr vollkommene Detailbilder, aber nur in seltenen Ausnahmefällen eine günstige Gesammtwirkung zu geben im Stande ist. – Man fertige also von irgend einem auf der Reise sich bietenden, meist allzua schnell vorüberziehenden, – günstig wirkenden Landschafts- Vegetations oder Figurenbilde (Gruppe von Eingeborenen etc.) – eine leichte Skizze in Bleistift oder Tusche, auf welche
[lavierte Federzeichnung: andeutungsweise Skizze einer Landschaft mit Palmen vor Gebirgs- bzw. Meeresszenerie]
nur die Hauptwirkung b in der Linienführung sowohl wie in der Licht und Schattenwirkung (in welcher ja ein ganz besonderer, momentan vorübergehender Reiz liegend kann, der verflogen ist ehe man noch seine Camera aufgestellt) – angegeben ist, u. suche dann c die zur || späteren Ausführung dieser Skizze nothwendigen Details (eine Baumgruppe, den Hintergrund. – . oder bei Figurenbildern: die Typen, Trachten etc.) – durch vielleicht von ebendemselben Platze, vielleicht in der Nähe u. in aller Ruhe und bei günstiger Gelegenheit aufgenommene Photographien beizubringen. –. – Eine sauber u. in allem Detail ausgeführte Zeichnung u. gar Oelmalerei – erfordert leider so viel Zeit, daß man nur in Ausnahmefällen, – bei einem längeren Aufenthalte an einem derselben Punkte etc. dazu kommen dürfte, – u. auch dann ist doch noch die Frage ob nicht 4–5 oder mehr in derselben Zeit aufgenommene Photographien u. ebenso viele leichte Skizzen uns nicht ein besseres Bild von der Gegend etc. geben, als eine einzige, oft mit unverhältnißmäßigen Opfern erkaufte Darstellung. – .
	Meine Skizze nach der Natur würde ich in der Weise machen, daß ich den Contour zuerst mit Bleistift hinschriebe, dann die Hauptschattenmassen in zwei bis drei Tönen, meist Naß in Naß, – angeben u. dann || schließlich noch einige characteristische Hiebe mit der Feder oder mit ganz dunkelm Bleistift in den tiefsten Dunkelheiten anbringen würde.; – das Ganze selbstverständlich in nicht zu kleinem Maaßstabe, – über den sich jedoch etwas Bestimmtes nicht sagen läßt, da er von dem darzustellenden Gegenstande u. leider auch von der disponiblen Zeit abhängig ist. – .
	– Ich verrathe Ihnen unter der Hand, daß die Originalskizzen zu den Illustrationen meines Amazonasbuches etwa um die Hälfte größer waren, als die xylographischen Reproductionen – daß aber Einiges darunter, – z. B. „der Halt im Schatten eines Urwaldriesen“ – nach einer erbärmlich kleinen, kaum halbhandgroßen Skizze gezeichnet ist. –
	Bei der photographischen Aufnahme von Figurengruppen werden Sie große Schwierigkeiten finden: es ist geradezu erstaunlich u. zum Verzweifeln, wie diese in der Freiheit so graciösen Menschen hübsch und wohlgebaut wie sie sindd, – plump, dumm und ungefüge werden, sowie man sie „stellen“ will oder das Objectiv einer Camera auf sie richtet. – Das Beste haben wir immer dann zu Wege gebracht, wenn wir die Macht hatten sie recht müde zu machen, so daß sie aus lauter Ueberdruß || u. Aerger wieder natürlich zu werden anfiengen. – Bei unsern „Kaffern“, – worunter auch gewisse fein u. modisch gekleidete zu rechnen, – ist es übrigens um kein Haar besser. – . Vielleicht aber sind Ihre Singhalesen anstelliger im Modellsitzen! – Noch möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß im hellen Sonnenschein aufgenommene Photographien sich in der Reproduction unendlich viel besser machen, als solche die im diffusen Lichte eines Zimmers angefertigt wurden. – Sie sind der scharfen Schlagschatten halber deutlicher, indem die Begrenzungslinie dieser Schatten ja in gewisser Hinsicht ein Profil, einen Durchschnitt darstellt u. so die eigentliche Form klarer, ich möchte sagen constructiv sichtbarer wird. – .
	Von großem Vortheile für die Illustration eines derartigen Werkes wären Photographien, die an Ort und Stelle nach günstig zusammengestellten Geräthen, Waffen etc. aufgenommen wurden. Man kann diese Sachen allerdings auch nachträglich aus den mitgebrachten Stücken und Mustern zusammenstellen, oder wie ich es für das Hellwald’sche Werk zu thun gezwungen bin, in mühseeligster Weise in den dunkeln u. überfüllten Glaskästen unserer || Museen zusammensuchen u. im Geiste zu gruppieren, – aber es ist doch nicht dasselbe, wie wenn der Spiritus loci seinen Stempel darauf gedrückt u. irgend ein geknickter Palmwedel, eine zerbrochenen Calebasse, ein schmutziger Fetzen Zeug, ein Grashalm am Boden, dem Ganzen von Anfang an jene unverkennbare Ächtheit verliehen, die der Zeichner nachträglich – mit aller Mühe doch nicht geben kann. – .
	– Solche Geräthe aber, – wie es leider immer noch geschieht, – flach gedrückt, wie den Inhalt eines Herbariums, – u. dazu meistens noch in verschiedenen Maaßstäben, – wiederzugeben – ist nicht nur die Summität der Geschmacklosigkeit, sondern auch dem wahren Zweck der Illustration entgegenlaufend, – denn was ich dem Leser und Beschauer geben will, ist doch eine richtige, vollständige, abgerundete Vorstellung des Ganzen, – u. wie soll das erreicht werden durch ein paar armseelige, herausgerissene, mißverstandene Pfeilspitzen, Messerklingen, Gürtel etc.? – Das Leben jener Menschen ist bei aller Armuth u. Einfachheit – || flott u. malerisch u. so sollen wir es auch darstellen! – . Der wissenschaftlichen Gründlichkeit wird e nicht nur kein Eintrag geschehen, sondern sie wird dadurch gefördert werden! – – – Entschuldigen Sie, geehrter Herr Professor 
[Federzeichnung: stilisierter Nadelbaum, nach Art eines Holzspielzeugs]
wenn ich bei dieser Sache etwas warm werde, – ich habe jedoch in letzter Zeit so Manches auf diesem Gebiete erlebt! Da schreibt mir vor Kurzem ein großer Leipziger Verleger: ich möchte ihm Illustrationen zu einem großen botanischen Werke anfertigen: – ich sende ihm alsbald eine Arve, die ich am Fuße des Wetterhorns nach der Natur gezeichnet hatte. – Wie ein Nürnberger Spielzeug sah sie allerdings nicht aus, aber wie eine stattliche Zirbelkiefer, die 2000' über dem Meere seit mehr denn hundert Jahren Schnee und Stürmen trotzt. – – Nun ich erhielt sie mit Protest zurück, da der Autor, Herr Prof. N. sie nicht normal genug finde. – . Später sah ich dann zufällig einige Illustrationen für dasselbe Werk, die so zahm u. so grundverlogen waren, daß sie ohne Anstand in jeder Mädchenschule als Zeichenvorlage hätten diesen können! – Die waren also recht. – . ||
	Gestatten Sie mir noch eine Schlußbemerkung: Wenn Sie noch keinen Verleger für Ihr Werk haben, so möchte ich Ihnen Herrn Wilhelm Spemann dahier empfehlen, u. als Xylographen Herrn Adolf Closs. – Es würde die Herstellung der Illustrationen dadurch bedeutend erleichtert werden. – .
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebenster
F. Keller-Leuzinger.
P. S. Herr v. Hellwald hat leider seine „Naturgeschichte des Menschen“ mit den wadenlosen Australiernf angefangen, trotz meines und des Verlegers bescheidenem Proteste. – Die Handvoll aussterbender Polynesier sind seit sie Cylinder und Hosen tragen auch nicht viel interessanter u. so scheint es als ob das Werk noch vor der Vollendung zu den Todten zu rechnen sein werde. – . Wäre es nicht richtiger gewesen mit Indien anzufangen? – Auf niedriger Culturstufe stehende Völker giebt es dort auch. – Was meinen Sie? –
[Beilage:]
Notizen über die Illustrirung eines Reisewerkes.
–– .
1). Um eine gewisse Gleichartigkeit in der Behandlung der Tafeln zu erzielen, wird deren Fertigstellung bis zum Schnitt in die Hand eines und desselben Zeichners, Herrn N. – gelegt. –
2). Derselbe hat im Einverständnisse mit dem Autor aus dem vorhandenen Material das Passendste herauszusuchen u. die Größenverhältnisse der Re-Production zu bestimmen. – .
3). Er ist es auch der das xylographische Atelier auszusuchen hat, dem der Schnitt anvertraut werden soll, wie auch sein Urtheil bezüglich der xylographischen Ausführung maaßgebend sein soll. – .
4). Für die Revision, Correctur u. ganze Beaufsichtigung dieser xylographischen Ausführung erhält Herr N–, gleichviel ob die Original-Zeichnungen nun alle von seiner Hand oder von der eines andern bearbeitet wurden, per Platte, groß oder klein – 20 Mark.
5). Das Honorar für die Bearbeitung der Originalzeichnungen, – mag diese Bearbeitung nun die Anfertigung einer ganz neuen Zeichnung in sich schließen, || oder sich auf eine Ueberarbeitung auf der Holzplatte; resp. der photographischen Uebertragung, beschränken, wird von Herrn N. – nach Verhältniß der bisher von ihm berechneten Honorare bestimmt, – wobei es Herrn N. freisteht nach eigener Wahl u. auf seine Kosten etwa nothwendig werdende Hülfskräfte anzustellen. –
a eingef.: allzu; b gestr.: sei; c gestr.: bei; d eingef.: wie sie sind; e gestr.: dadurch; f irrtümlich: Ausstralier
 
		