Robert Lötzbeier an Ernst Haeckel, Dresden, 20. März 1909
Dresden. A. den 20. März 1909. | Wintergartenstr. 35.
Sr. Exzellenz
Herrn wirkl. Geheimrat
Professor Dr. Ernst Haeckel
Jena.
Wenn ich mir die Freiheit nehme, Ihnen hochverehrter Herr Geheimrat heute zu schreiben, so geschieht es lediglich, um den Gefühlen meiner großen Freude Ausdruck zu verleihen, daß die Wahrheit in der jetzigen Brassaffaire so schnell zu ihrem Rechte gekommen ist.
Die Angriffe dieses Herrn hatten auch hier, wie vielleicht in anderen Orten doch ziemliche Verwirrung angerichtet & als Ihre Entgegnung kam, worin Sie in schlichter Weise und der Grundehrlichkeit, welche in all Ihren Werken so wunderbar erquickend entgegenleuchtet, zugaben, daß die bewußten Embryonenbilder, wenn auch in kleiner Anzahl „im Sinne von Brass“ unrichtig || seien, war man hier, wenigstens in Laienkreisen, wo Sie so viele treue Anhänger haben, doch in etwas gedrückter Stimmung. – Gewisse Zeitungen, welche schon vorher in einseitiger Weise Stellung in dieser Affaire genommen hatten, triumphierten.
Aber bereits schon als die von einer großen Anzahl von Zoologen & Anatomen veröffentlichte Erklärung erschien, fing die Stimmung an umzuschlagen & als dann ein ausführlicher erklärender Artikel des Herrn Professors Dr. Rabl erschien, herrschte hier & auch in anderen Städten, wie ich durch mir gewordene Informationen bestimmt weiß, hellste Begeisterung.
Mit großer Genugtuung ist hierbei zu constituieren, daß wohl alle Zeitungen diese beiden oben erwähnten Erklärungen brachten, z. großen Teil mit markanten Überschriften & ausführlichem Kommentar, worin allgemein der Tatsache Ausdruck verliehen wurde, daß jener Herr Brass (es kostet mich Überwindung diesen Namen zu schreiben) || eine vernichtende „endgültige Niederlage für alle Zeiten“ erlitten hat. – Er mag nunmehr Vorträge halten & schreiben, was er will; man weiß nun ganz bestimmt, woran man ist.
Es war mir wirklich ein Bedürfnis des Herzens meinen überquellenden Freudengefühlen Ausdruck zu verleihen, daß die Sache des Wahren, Guten & Schönen so schnell obgesiegt hat & aus der unliebsamen Angelegenheit nur um so reiner & hehrer hervorgegangen ist.
Und aus diesem Grunde bitte ich um Verzeihung, wenn ich mich erdreistete, Ihnen diese Zeilen zu senden & Ihnen, sogeehrter Herr Geheimrat, immer wieder auf’s Neue meinen tiefgefühltesten Dank auszusprechen für alles das Große, was Sie mir in Ihren Werken für alle Zeiten geschenkt haben.
Mit dem Ausdruck vollkommenster Hochachtung verbleibe ich
Ihr ergebener
Robert Lötzbeier