Ernst Haeckel an Charlotte und Carl Gottlob Haeckel, Jena, 23. Mai 1858
Jena Pfingstsonntag 1858
Liebe Eltern!
Ich bin doch ein wahrer Glückspilz. Jetzt fang ichs wirklich selbst zu glauben an. Kaum hat der eine der beiden Menschen, aus denen ich bestehe, nämlich der deutsche, häusliche Gemüthsmensch, in der herrlichen, lieben Anna seinen besten Schatz für die ganze Zukunft gefunden, so geht auch dem andern, nämlich dem wissenschaftlichen Naturforscher, ein Glücksstern auf, den er sich nicht im Entferntesten hat träumen lassen.
Denkt nur, Prof. Gegenbaur geht selbst nächsten Winter nach Messina und hat mich aufs herzlichste und freundlichste eingeladen, ihn zu begleiten. Was für ein außerordentliches Glück von unberechenbarer Tragweite das für mich ist, kann ich euch erst mündlich weiter aus einander setzen.
Ich bin a in diesem Gedanken ganz selig. ||
Übrigens geht mirs herrlich. Der prachtvolle Thüringer Wald mit seiner herrlichen Maienluft hat mir den verdrehten Kopf ganz auf den rechten Fleck gesetzt. Es ist hier gar zu paradiesisch und es fehlt nur die Kleine und auch ihr Lieben, um mich alles Naturglück in schönster Fülle genießen zu lassen. Dienstag und Mittwoch bin ich in Weimar zum Jahresfest des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und Thüringen. Donnerstag wahrscheinlich in Eisenach. Wird das Wetter schön, so lege ich mich dann noch ein paar Tage in den Wald, um mir mein verschiedenes Glück etwas zurecht zu legen. Habt ihr mir was zu schreiben, so schickt es an Anna, die mir poste restante nach Merseburg schreibt. Daß Gegenbaur mit mir nach Messina geht, darf vorläufig außer Anna, euch, Karl und Mimmi Niemand wissen. Vielleicht komme ich erst Mitte nächster Woche wieder.
Mit herzlichstem Gruß euer sehr glücklicher Ernst.
a gestr.: ich