Ernst Haeckel an Max Vollert, Jena, 3. Juli 1909
Jena 3. Juli 1909
Hochgeehrter Herr Kurator!
Mit verbindlichem Dank sende ich Ihnen beifolgend den Entwurf Ihres Schreibens an Prof. Plate (vom 2.7.) zurück, welches Sie ganz unserer gestrigen Unterredung entsprechend abgefaßt haben.
Ich habe mir nur erlaubt in den Absätzen 5, 6 und 8 einige kleine (aber wichtige) Änderungen – Ihrer gütigen Erlaubnis entsprechend – vorzunehmen, und habe diese blau markiert. ||
Bei der großen Bedeutung, welche ich Ihrem Schreiben für den weiteren Verlauf dieses bedauerlichen Prozesses beimesse, ersuche ich Sie freundlichst, mir eine Abschrift davon für meine Akten machen zu lassen.
Am 8. Juli werde ich auf 4–6 Tage verreisen. Vielleicht wird es möglich sein, unsere „endgültige Verständigung“ noch vorher zu erledigen.
Mit wiederholtem herzlichem Dank für Ihre Bemühungen
Hochachtungsvoll
Ihr ergebener
Ernst Haeckel.
[Beilage: Max Vollert an Ludwig Plate, mit Korrekturen Ernst Haeckels, Jena, 2. Juli 1909]
UK
Herrn Professor | Dr. Plate | hier.
J. 2. VII. 09.
Sehr geehrter Herr Professor!
Von Ihrem gestrigen Schreiben habe ich Seiner Exzellenz Herrn Wirklichen Geheimen Rat Professor Dr. Haeckel Kenntnis gegeben und die ganze Angelegenheit im Einzelnen mit ihm durchgesprochen. Das Ergebnis beehre ich mich Ihnen im Folgenden mitzuteilen:
1. Exzellenz Haeckel wünscht allerdings die Aushändigung des angefertigten zweiten Schlüssels zu den Räumen, welche er sich für seinen ausschließlichen Gebrauch vorbehalten hatte. Er übernimmt die Verantwortung für alle Schäden, welche dadurch entstehen sollten, daß Sie nicht im Besitze eines besonderen Schlüssels für die Räume sind.
2. Exzellenz Haeckel ist be-||reit, alle in der Bibliothek des Phyletischen Museums befindlichen Bücher, welche nachweisbar Eigentum des zoologischen Instituts sind, in dieses überführen zu lassen.
3. Die Annahme von Exzellenz Haeckel, daß Sie 14 Bücher aus dem Phyletischen Museum entfernt hätten, beruht auf einer irrtümlichen Mitteilung meinerseits. Ich hatte Ihre Bemerkung, Sie hätten etwa 14 Bücher herausgenommen, dahin verstanden, daß diese 14 Bücher in das Zoologische Institut überführt worden seien, während Sie sie alsbald wieder an ihren Platz gestellt haben. Ich bitte wegen dieses Mißverständnisses um Entschuldigung. Exzellenz Haeckel und mir liegt selbst daran, diesen Irrtum aufzuklären.
4. Was die 225 Bücher im Wert von 4875 M anbetrifft, welche nach Ihren Feststellungen aus Mitteln des zoologischen Instituts angeschafft, in der Bibliothek des Instituts aber nicht vorhanden sein sollen, so läßt Sie Exzellenz Haeckel um das Verzeichnis dieser Bücher ersuchen.
Seiner Überzeugung nach kann es sich nur um Bücher handeln, welche zum Tauschverkehr bestimmt waren oder sonstigen Interesse des Instituts oder des Phyletischen Museums an Gönner verschenkt worden sind.
Exzellenz Haeckel wird die in seiner Wohnung befindliche Bibliothek darauf durchsehen, ob sich noch Bücher darin befinden, die dem Insti-||tut gehören und diese alsbald abliefern. Bis jetzt hat er nur etwa drei entdecken können.
5. Exzellenz Haeckel behält sich über die in seiner Privatwohnung befindlichen, ihm gehörigen Bücher vollkommen freie Verfügung vor. Einen Teil davon wird er eventuella dem Phyletischen Museum zu führen, einen anderen Teil der allgemeinen Universitätsbibliothek zuweisen. Die dem Phyletischen Museum zugeführten Bücher, welche eventuellb in das Eigentum dieses übergehen sollen, will er selbst katalogisieren und mit dem Stempel des Museums versehen. Die Stempelung der Bücher in seiner Wohnung glaubt er ablehnen zu sollen.
Seine Memoirenc und seine Briefschaften sollen zunächst in seiner Wohnung verbleiben. Über etwaige Veröffentlichung aus diesen Materialien sollen sein Sohn und sein Schwiegersohn Entscheidung treffen.
6. Exzellenz Haeckel will || im „Phyletischen Archiv“, d. h.d in den drei Zimmern, die er sich vorbehalten hat, namentlich auch wertvolle Kunstgegenstände: Bilder, Statuen, Votivtafeln, Plaketten u. a. m. aufstellen. Er wird sich dabei nicht nur von wissenschaftlichen, sondern auch von aesthetischen Gesichtspunkten leiten lassen. Es ist sein Wunsch, daß die von ihm in dieser Beziehung getroffene Anordnung auch nach seinem Tode pietätvoll gewahrt bleibt. Die freie Disposition über die Phyletische Bibliothek (– d.h. die im Archiv ausgestellten Bücher und Manuskripte, –) behält er sich allein vor.e
Exzellenz Haeckel will davon absehen, seinem Sohn und seinem Schwiegersohn die Auf-||sicht über die gedachten drei Räume und ihren Inhalt nach seinem Tode zu übertragen.
Er will aber die Regierungen der Erhalterstaaten besonders verpflichten, die Erfüllung seines Wunsches zu überwachen. In ihrer Vertretung soll dazu in erster Linie auch der Kurator verbunden sein. In Zweifelsfällen soll der jedesmalige Vertreter der Anatomie gehört werden. Den dermaligen Vertreter dieses Fachs wird Exzellenz Haeckel noch selbst mit entsprechender Information versehen.
Da auch Sie bereit sind, zu versprechen, die Anordnung pietätvoll zu wahren, sehe ich eigentlich in dieser Richtung keinen Streitfall.
7. Exzellenz Haeckel hatte gehofft, die Einrichtung des Phyletischen Museums in || gemeinsamer, freundschaftlicher Arbeit mit Ihnen bewirken zu können. Er glaubt, dies auch in den an Sie gerichteten Briefen zum Ausdruck gebracht zu haben. Er war der Meinung gewesen, daß für Sie seine Ratschläge und seine Auskunft über Bedeutung und Herkunft von mancherlei Sammlungsgegenständen, namentlich von solchen, welche nicht oder nicht genügend etiquetiert sind, von Wert sein würde. Da Ihnen aber erwünschter ist, die Aufstellung der Sammlungen und überhaupt die ganze innere Einrichtung ganz selbstständig vorzunehmen, läßt er Ihnen – abgesehen immer von den drei Zimmern des Phyletischen Archivsf – vollständig freie Hand.
8. Exzellenz Haeckel fühlt sich namentlich durch den ihm || schriftlich wiederholtg gemachten Vorwurf, „er habe bei Ihrer Berufung falsches Spiel mit Ihnen getrieben“, und „er habe Ihnen das größte Unrecht zugefügt“ tiefh verletzt.
Da die Meinungsverschiedenheiten, die hinsichtlich der Einrichtung der drei Zimmer hervorgetreten sind, eine so schwere Beschuldigung nicht rechtfertigen dürften, ersucht Exzellenz Haeckel um schriftlichei Zurücknahme dieses Vorwurfs.
9. Exzellenz Haeckel glaubt nicht, daß aus der Zeit vor dem 1. April d. J. inbezug auf das Phyletische Museum noch unbezahlte Rechnungen zu erwarten seien. Es könnte sich dabei auch nur um unbedeutende Beträge handeln.
Ich beehre mich, Sie zunächst um eine gefällige schriftliche Äußerung zu bitten. || Nach deren Eingang ist Exzellenz Haeckel bereit, in einer mündlichen Verhandlung, welche in Gegenwart des Herrn Geheimen Justizrats Dr. Rosenthal in meinem Dienstzimmer zu führen sein würde, zu einer endgültigen Verständigung mitzuwirken.
In vorzüglicher Hochachtung
a von Haeckels Hand gestr.: er; eingef.: er eventuell; b von Haeckels Hand eingef.: eventuell; c von Haeckels Hand gestr.: Archiv; eingef.: [Sein]e Memoiren; d von Haeckels Hand eingef.: im „Phyletischen Archiv“, d. h.; e gestr.: was jedoch die ordnungsmäßige Benutzung der Bibliothek nicht hindern soll. Er ist überzeugt das diese Abteilung des Museums auf die Mehrzahl der Besucher eine besondere Anziehungskraft ausüben wird.; eingef.: Die freie Disposition über die Phyletische Bibliothek (– d.h. die im Archiv ausgestellten Bücher und Manuskripte, –) behält er sich allein vor.; f von Haeckels Hand eingef.: des Phyletischen Archivs; g von Haeckels Hand eingef.: wiederholt; h von Haeckels Hand eingef.: tief; i von Haeckels Hand eingef.: schriftliche