Ernst Haeckel an Wilhelm Ostwald, Jena, 19. Dezember 1910
Jena 19. Dezbr. 1910.
Hochgeehrter Herr Kollege!
Ihre lebhafte Tätigkeit für unsere monistische Naturphilosophie hat in mir schon lange den Wunsch erregt Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen und über deren nächste und erreichbare Ziele mich mit Ihnen zu verständigen. Neuerdings hat die Mitteilung, dass Sie auf dem ersten Monisten-Kongress in Hamburg, im September 1911, einen Vortrag halten wollen, mich besonders erfreut und jenen Wunsch verstärkt. Es gilt dort viele wichtige
Entschlüsse zu fassen. ||
An den beiden Weihnachts-Feiertagen (Sonntag 25. 12. und Montag 26.12.) werde ich bei meinen Kindern in Leipzig sein: Professor Dr. Hans Meyer, Haydn-Str. 20. Sollte es Ihnen möglich sein, mich dort aufzusuchen, (– zu einer beliebigen, Ihnen passenden Stunde, vielleicht Nachmittags zwischen 4 und 7 – ?) so würde mich das sehr freuen und möchte ich Sie bitten, mir eine bezügliche kurze Mitteilung zu machen. Meine Absicht, Ihnen in Ihrem „Landhaus Energie“ || einen Besuch abzustatten, werde ich bei der Kürze der Zeit nicht ausführen können, zumal ich in Leipzig noch mehrere Besuche zu machen habe. Meinem beifolgenden „Sandalion“ lege ich ein kürzlich erhaltenes Manuscript eines älteren Americanischen Arztes, Dr. A. Bettes in Kansas City, bei, über dessen Wert ich kein Urteil habe. Da das Object in Ihr Fach schlägt, bitte ich Sie es anzusehen und eventuell mit einem kurzen Urteile über seinen Wert zurückzusenden. Am 24. 12. fahre ich nach Leipzig. ||
In der angenehmen Hoffnung, mich demnächst über manche wichtige Fragen des Monismus mit Ihnen aussprechen zu können, und mit der Versicherung vorzüglicher Hochachtung bleibe ich
Ihr ergebenster
Ernst Haeckel.
Herrn Prof. Dr.
Wilhelm Ostwald
Leipzig.