Ernst Haeckel an Johannes Walther, Jena, 12. Oktober 1917
Jena 12.10.1917.
Lieber Freund!
Mit herzlichster Teilnahme las ich vorgestern in der Jenaischen Zeitung die Anzeige von dem Hinscheiden Ihres lieben Vaters. Der vortreffliche alte Herr – noch 10 Jahre älter als ich – hat ein so glückliches und interessantes Leben seit 93 Jahren genossen, daß Ihnen die Erinnerung daran gewiß immer ein höchst wertvoller Schatz bleibt.
Meine Gesundheit ist inzwischen so zurückgegangen, besonders Zirkulationsstörungen mit bedenklicher Herzschwäche, daß ich wohl noch vor Weihnachten dieser „elendste aller Welten“ Lebewohl sagen werde; froh den Niedergang unseres teuren Vaterlandes durch die Schuld unsrer schwachen Regierung und die noch größere Schuld unsers miserablen Reichstags (Erzberger, Scheidemann, 19. Juli) nicht erleben zu müssen! ||
In 14 Tagen schicke ich Ihnen meine letzte Arbeit: „Zellseelen und Kristallseelen“, deren letzten Korrekturbogen ich heute erledigt habe (10 Druckbogen, Kröner). Ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie Ihre Bedenken gegen meine monistische „Psychomatik und Kristallotik“ offen aussprechen und mich auf die Fehler und Mißgriffe meiner „Fragmente“ ehrlich und rücksichtslos aufmerksam machen wollten.
Mit herzlichsten Grüßen und besten Wünschen für Sie und Ihre liebe Familie stets Ihr alter (invalider) Lehrer
Ernst Haeckel.