Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 6. Dezember 1874

Jena 6 Dec 74

Liebste Mutter!

Gestern Abend wären wir beinahe mit unserer ganzen Habe abgebrannt, sind aber glücklich ohne Schaden davon gekommen. Wir hatten eine Gesellschaft von 20 Personen bei uns und wollten eben um 9½ Uhr uns zu Tische setzen, als das Mädchen schreckensbleich mit dem Rufe hereinstürmt: „Bei a Hartungs brennt es!“ Wir öffnen das Fenster und sehen die große, hinter unserem Hause stehende Dampfsägemühle von Anfang bis zu Ende in hellen Flammen. Das Feuer breitete sich bei der reichlichen Holznahrung so rasch aus, daß eine Stunde später fast das ganze Gebäude schon niedergebrannt war. || Zumb großen Glück war es fast windstill. Nur ein leichter Ostwind trieb die Flammen von unserem Hause ab; sonst wären in kurzer Zeit die beiden c Wohnhäuser von uns und Hartungs ebenfalls sicher niedergebrannt. Die Wände und Fenster wurden schon recht heiß, so daß sie beständig bespritzt werden mußten, und der Dachstuhl über Gegenbaur früherem Wohnzimmer begann bereits zu rauchen. Die jungen Schultzes fingen an auszuräumen und auch wir packten unsere d wichtigsten Sachen zusammen. Jedoch war trotz der miserablen Löschanstalten um 11 Uhr jede Gefahr vorüber, so daß schließlich unsere Gäste ihren Karpfen und Rebhühner noch in recht heiterer Stimmung verzehren konnten. Nur ein Ziegenbock von Hartungs ist verunglückt, sonst Niemand weiter!

[Briefschluss fehlt]

a gestr.: uns; b korr. aus: von; c gestr. H; d gestr.: Sachen

Brief Metadaten

ID
38782
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
06.12.1874
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
14,2 x 21,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38782
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Haeckel, Charlotte; Jena; 06.12.1874; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_38782