Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 15. Februar 1884
Potsdam 15/2 84
Mein lieber Ernst!
Gottes beßter Seegen sei mir Dir zum morgenden Geburtstag; mögest Du den Tag gesund und heiter verleben. Ein großer Abschnit Deines Lebens endigt mit dem morgenden Tage, und mir ist es als träte mit demselben eine neue Zeiteintheilung für Dich, als müsse nun ein ruhiges Verarbeitung der Dinge, die Du in Dir in Deinem so beweglichen Leben aufgenommen hast, eintreten. ||
Hoffentlich wird Dir noch viel Schönes in Deinem neuen Lebensjahr zu theil, vor allem Gesundheit und Friede im häuslichen Kreise, den Du nun auch mehr geniessen wirst, als es sein konnte, da Dich die Wunder der Natur immer zur Wanderung reitzten, mögest du nun um so mehr Freud in Deinem schönen Hause geniessen und Du mehr mit Frau und Kinder leben kannst. ||
Vor Allem wünsche ich Dir viel Freude am Gedeihen Deiner Kinder; Deine letzte Bemerkung in Deinem Briefe, daß Walter in Gera sich gut eingelebt hat mich sehr erfreut; und mögen auch seine Anlagen und Neigungen einen anderen Weg gehn, als Du dachtest, nun wenn er nur im Leben immer die ihm Angewiesene Stelle ausfüllen, und ein braver Mensch wirda. Liegt doch darin, daß Eltern || nicht aus ihren Kindern machen können, was sie wünschen, ein großer Trost.
Gestern war Annas Geburtstag, Du kannst denken wie traurig und ernst es mir war; vielleicht ist es von mir nur ein Vorurtheil aber ich kann mich nunb einmal so schwer drin finden, wenn Genesung so fern gesuchtc wird, ich denke immer ein Kranker ist am beßten aufgehoben im häuslichen Kreis. – ||
Leider sind auch jetzt immer die Berichte weniger nach Wunsch. Eben kommt Karl, und bringt mir die eingelaufene Nachricht von Dir. Wie leid es mir auch ist und besonders für Agnes, so muß es ihr und auch mir lieb sein daß, wie es ja scheint die Krankheit gelinde auftrit und dann ist es ja gut, wenn Knaben solche Krankheiten abmachen, ehe sie sehr fern von Hause sind. ||
Aber schreiben kann ich heute nicht mehr, wünsche nur von Herzen, daß bei Walter alles gut verlaufen möge, bitte nur dringend, daß er besonders vorsichtig sein möge beim Verlaufe der Krankheit, beim Abhäuten. Agnes sage nebst meine herzlichsten Grüsse ich ließ sie bitten auch diese Prüfung ruhig zu ertragen. Freilich wird es ihr doppelt || schwer werden, da auch Clara krank ist.
Ich wünsche allen Kranken gute Besserung. Mir war es so traurig, daß ich auch nicht das kleinste Liebeszeichen für Dich zum Geburtstag hatte, da fiel mir ein, daß ich immer die Kuchenkiste zurückschicken wollte, was hiermit geschieht, und damit sie nicht leer gehe habe ich Apfelsinen Feigen und Kastanien drin gepackt. ||
Seid alle Ihr Lieben Du, mein Herzens Ernst mit Agnes und den Kindern Gott empfohlen und behaltet lieb
Euere
alte Mutter
Lotte
Clara wünsche ich baldige Besserung wie auch Walter.
a korr. aus: wieden; b korr. aus: nur; c verb. aus: geschieht