Potsdam den 15ten October 1875.
Mein lieber Ernst!
Gestern hatte ich die Freude, Deine liebe Frau bei mir zu sehn, sie hatte gehoft von Dir hier einen Brief zu finden, der kam aber erst heute früh hier an, und ich habe ihn gleich dem Briefträger mit der Anweisung Anhalterstraße Nummer 12 mitgegeben.
Agnes sieht ja sehr wohl aus, und sie konnte mir ja, Gott sei Dank, von Dir und den Kindern Gutes sagen. – ||
Durch Agnes erhälst Du Gruß und Nachricht von mir, so erscheint mein heutiges Schreiben ganz überflüssig, aber ich werde dazu veranlaßt durch einiges was mir Unruh macht:
1) daß die von mir am 1sten October durch Eisenbahn versandte Kiste an Dich noch nicht angekommen war. Hast Du sie nicht erhalten, so bitte || schreibe es mir, damit ich auf dem Bahnhof nachfrage, ich habe den Schein von der Eisenbahn aufgehoben.
2) wußte Agnes nichts von dem Silber, welches Du von Frankfurt a erhalten hast, und welches Du, so viel ich mich erinnern kannst [!], in Deine Tasche, die Du bei Dir hattest, mitnehmen wolltest. Ist das Silber in Sicherheit? oder wo ist es? || Zu meiner Beruhigung habe ich mir heute gesagt ob Du es etwa absichtlich nicht gezeigt hast, um es ihr zum Geburtstag aufzubauen. – Ich denke Sonnabend früh nach Berlin zu fahren und habe Agnes gesagt, wenn sie erst Sonntag heim reist, Sonnabend zu Mittag zu Tante Bertha zu kommen. Von ihr wirst Du von mir hören, hoffentlich trifft sie Dich und die Kinder munter, mit denen Dich aufs innigste grüßt Deine
alte Mutter Lotte.
a gestr.: mitgebracht