Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 22. Januar 1871
Berlin 22/1 71.
Lieber Ernst!
Wundern wirst Du Dich heute schon wieder von mir einen Brief zu erhalten; aber ich habe gestern vergessen Dich zu fragen: ob Du im Besitz eines Badischen 35 f. Looses bist? Herr Joachim zeigt mir an, daß das Badische 35 f. Loos N. 4200/204458 vor einiger Zeit mit 51 Gulden gezogen sei. – Wenn Du es hast, so schicke es mir, damit es eingelöst wird. Hast Du es nicht, so schreibe es mir gleich, damit ich Herrn Joachim antwortten kann. – ||
Gestern wollte ich schon darnach fragen; beim Schreiben hatte ich mich aber so in Deine Häuslichkeit, in Deine Kinderwelt vertieft, daß ich darüber ganz vergessen habe nach Obigem zu fragen. –
Meine Gedanken sind immer viel bei Dir, aber in der letzten Zeit habe ich mich so besonders mit Dir beschäftigt: ich hatte so rechtes Verlangen, was anders auch zu lesen, nicht immer bloß Krieg und Krieg, so habe ich wieder mit || großer Befriedigung Deine Pickbesteigung gelesen. Du bist doch aber ein recht tollkühner Junge, ohne dran zu denken ob der Gewinn die Gefahr wert ist.
Dann habe ich den Vortrag gelesen, den Du in der Akademie gehalten hast; der nun freilich etwas zu gelehrt für Deine einfältige Mutter ist; aber ich habe ihn doch mit großem Intresse gelesen, wenn mir auch etwas schwindlich über die große Gelehrsamkeit wurde. Nun, mein lieber, alter Junge freue ich mich doch, wenn Dein Beruf und || das Forschen in der Wissenschaft Dir Freude macht. Vergiß nur über alle Gelehrsamkeit nicht
Deine
alte Mutter
Lotte.
Bitte schreib mir bald, wie es Agnes geht? ist sie aufgestanden? grüsse sie tausendmal.