Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, [Berlin], 12. März 1868
Donnerstag d. 12
März 1868.
Mein lieber, lieber Ernst!
Heute wurde ich durch Deinen lieben Brief erfreut, da ich daraus sahe, daß es doch Agnes besser geht. Soviel denke ich Euer, und wie gerne käme ich auf einen Augenblick zu Euch; aber das geht ja nicht, und ich könnte Euch ja auch nichts helfen; der kleinen Frau könnte ich ja doch keine Erleichterung bringen, sie soll sich aber nur tapfer halten, und daran denken wie durch die jetzigen Unbequämlichkeiten, ihr später das || größte Lebensglück bereitet wird. Ich glaube grade darin, daß eine Mutter soviel für ihr Kind leiden und sorgen muß, liegt auch der Grund zum innigen Zusammenhang zwischen Mutter und Kind. Sage Agnes: der erste Blick des Kindes a gilt der Mutter, und dabei vergißt sie, was sie vorher hat aushalten müssen. –
Der Vater liebt das Kind, wenn er es sieht, die Mutter aber schon unter ihrem Herzen. – ||
Nun es Agnes wieder besser geht, wirst Du auch wieder mehr Muth und Freudigkeit haben; die Mattigkeit finde ich natürlich, da Agnes so lange zu Bette gelegen hat, und sie wird sich stärken, wenn sie wieder orndlich Bewegung in freier Luft haben wird. –
Daß Du, mein lieber Ernst, die Osterferien zum Arbeiten benutzen willst, ist recht schön, aber Du mußt auch bestimmt ein paar Stunden täglich ins Freie, damit Du Dich frisch hälst. – ||
Wenn b aber zu Pfingsten Agnes wird reisen dürffen, so wäre es doch sehr hübsch, wenn Ihr her kämt, doch das müssen wir ja alles abwartten. Für uns sind noch gar keine Pläne für den Sommer gemacht, ich wollte auch noch nicht eher mit Vater darüber sprechen bis ich wüßte; ob unser Kommen nach Jena auch für Agnes gut ist, ob es ihr nicht zu viel wird; vorläufig könnt Ihr Euch mal darüber besprechen. ||
Gegen Abend, als Vater spazieren ging, war ich einen Augenblick bei der Weiß, und fand dort ihren Neffen Ernst, der heute früh angekommen ist, er geht nach Bonn, wo er eine Anstellung hat.
Die Weiß erzählte mir auch, daß der Sohn des Generals Beier, den Du ja kennst, sich verlobt hat mit der zweiten Tochter des Geheimeraths Bendemann. – ||
Ernst Weiß läßt Dich grüssen, er habe Deinen letzten Brief erhalten, aber noch nicht beantworttet. – In der nächsten Woche werde ich ihn mal mit der Tante zu Mittag bitten. –
Nächsten Sonnabend wird Tante Bertha und Heinerich nach Landsberg fahren, sie wollen Mittag bei H. Sethe in Cüstrin machen, und von dort nach Landsberg; das || freut mich sehr für Karl. – Sie denken Montag Abend zurück zu kommen. Es giebt bei der Ostbahn jetzt Tagesbilliets zu ermässigten Preisen, die 3 Tage gültig sind, Karl hatte das vorigen Sonnabend auch benutzt, kam Abends hier an, und fuhr Montag wieder zurück, er mußte aber schon früh fahren, weil er auf dem Rückweg von Vietz aus noch ein Termin || abzumachen hatte.
Vater grüßt mit mir Dich, Deine liebe Frau und die gute Mutter aufs herzlichste. –
Mit der innigsten Liebe wie immer
Deine
alte Mutter
Lotte.
Ist der Sohn von Engelmann wieder besser?
a gestr.: ist; b gestr.: es