Karl Haeckel an Ernst Haeckel, [Landsberg an der Warthe, 26. September 1866]
Lieber Ernst!
Auf Deinen so eben erhaltenen Brief hin verzichte ich, wenn es mir auch schwer wird, doch gern auf Deinen Besuch unter Einer Bedingung: daß Du Dein angestrengtes Arbeiten der letzten Woche einstellst, und Dir täglich die nöthige Erholung gönnst, auch nicht in die Nächte hinein arbeitest. Wozu das alles? Ich begreife, daß Du die Genfer nicht gern lange auf Dich warten lassen willst. Aber die Arbeit muß doch nun einmal vorher beendigt werden und – ultra posse nemo tenetur. Thue, als wenn Du um meinet willen eine 4 tägige Reise hierher machtest und vertheile Dir diese 4 Tage auf die Arbeiten, die Du noch vor hast. Thue mir diese einzige Liebe, alter lieber Bruder; || dann will ich gern das Opfer gebracht haben, Dich vor der Reise nicht zu sehen.
Hier geht es im Hause nun wieder einen regelmäßigen Gang, und wird das noch mehr der Fall sein, wenn die Aeltern abgereist sind. Dann wird mich das Schwere der Trennung von meiner Mimmi aber auch um so mehr drücken, Doch es muß durchgemacht sein und ich hoffe, grada im Andenken an sie die Kraft dazu zu finden.
Ich schreibe Dir nächstens mehr, wie Du dann grade jetzt schon öfter noch als früher von mir hören wirst. Es treibt mich dazu. Wir sind froh, daß augenblicklich alles wohl ist. Weiter, wie es in der nächsten Zeit werden wird, darf man nicht rechnen. Das Wetter ist zu ungesund, zu warm.
Herzliche Grüße von Deinem
Karl
Schickst Du nicht noch sonst etwas, so laß nur den Fallersleben dort. Ich möchte Dich sogar bitten, ihn alsb Andenken an Mimmi zu behalten, ich kauf mir einen andern.c
a gestr.: es; eingef.: grad; b weiter am Rand v. S. 2: Schickst Du nicht...bitten, ihn als; c weiter am Rand v. S. 1: Andenken an Mimmi...mir einen andern.