Charlotte Haeckel an Agnes und Ernst Haeckel, Berlin, 24. Februar 1870
Berlin d. 24/2 70.
Meine lieben Kinder!
Habt Beide herzlichen Dank für Euere lieben Briefe. In Gedanken war ich am 16ten viel bei Euch und verlangte sehr nach Nachricht von Euch, so war mir es sehr lieb, daß Ihr mir so bald geschrieben. Deine Versicherung, mein lieber Ernst, daß Du doch mit mehr Gleichmuth und Ruhe den Tag verlebt hast, freut mich sehr; wenn wir auch so lange wir leben, mit treuer Liebe derer gedenken mit denen wir hier innig verbunden waren, so darf sich doch der Schmerz nie an || bestimmte Tage binden, und uns hindern das Gute dankbar zu erkennen, was uns Gott verliehen. Ach, mein lieber Ernst, wie dankbar bin ich, daß Du Dich im Besitz Deiner Agnes und Walters so glücklich fühlst. Gott erhalte Dir Dein häusliches Glück ungetrübt. – Wir waren den 16ten bei Tante Bertha, wo auch Karl und Clara Nachmittags hinkamen. Daß Euer Walter nun allein läuft, freut mich sehr, jetzt ist er grade in dem schönsten Alter, wo die kleine || Seele sich entwickelt, wo Agnes gewiß mit Entzücken den kleinen Kerl immer belauscht. Ach, wie gerne möchte ich Euch drin sehn; wann denkt Ihr denn zu uns zu kommen? oder habt Ihr darüber noch keinen Plan?
Als Du hier warst, meintest Du: Du würdest im März hier einen Vortrag halten, nun fand ich aber gestern Dich nicht unter den in der Zeitung angezeigten Vortragenden. Ach, ich sehne mich auch recht darnach mit Dir so manches zu besprechen; es ist zu vieles vorgekommen, was mir Sorge macht, und da ich jetzt mit Vater so manches gar nicht besprechen kann, || namentlich vermeide ich es ihm das mitzutheilen, was ihm Sorge und Schmerz machen würde; so ist es mir doppelt Bedürfniß, mich mit den Söhnen auszusprechen. Karl haben wir auch in der letzten Zeit sehr wenig gesehn, er hat eine andere Abtheilung beim Gericht, und dadurch wohl mehr zu thun, sich in die neuen Geschäfte einzulesen. – Onkel Julius hatte sie zu morgen eingeladen, sie haben es aber ausgeschlagen, da Karl Hausarrest hat, weil er sich auf dem Eise den Fuß ver-||tretten hat, hoffentlich hat es nicht viel zu sagen. Dabei fällt mir ein: ist denn Deine Hand wieder ganz gut?
Wir sollten auch bei Julius sein, haben es aber abgesagt, das ist für Vater zu viel, es werden wohl einige 30 Personen sein, wird spät gegessen und dauert lange. – Sonst geht es Vater wieder viel besser, heute waren wir bei Tante Bertha um mit Bleeks zusammen zu sein. Tante Auguste geht es auch besser, und da das Wetter nicht mehr so bitter kalt ist, wird sie wohl wieder ausgehn, || und denkt auch bald abzureisen, sie hat mir versprochen: Sonntag Mittag bei uns zu essen, ich denke es dann auch Julius zu sagen. – Tante Auguste hat gute Nachrichten aus Amerika, es geht Phillieb dort ganz gut, sie haben dort jetzt arge Hitze.
Hoffentlich hat meine liebe Agnes die Erkältung ganz überwunden, und ist wieder ganz munter. Ist denn Mutter Huschke und Klara wieder besser? Davon schreibt Ihr nichts. ||
Soll ich Dir für Walterchen größere Handschuh stricken, liebe Agnes? Dann schreib es mir und welche Farbe Du wünschst? es macht mir Spaß, wenn ich für den kleinen lieben Jungen etwas machen kann. –
Heute früh besuchte mich Frau Professor Weiß, die auch an Ernst Geburtstag, als wir grade bei Bertha waren, hier gewesen ist, sie läßt Euch schön grüssen.
Tante Gertrude ist sehr matt; und macht mir viel Sorge. Ach, es ist mal wieder eine Zeit, wo so viel Schweres zusammen kommt; Gott helfe durch alles, was er schickt. – ||
Wenn Du herkommst, lieber Ernst, so vergiß nicht die Pappiere von der Jahresgesellschaft 1839 der preußischen Renntenanstalt mit zubringen, dazu muß ich Dir neue Coupons besorgen. –
Vater grüßt Euch herzlich. Und Ihr seid alle Drei auf’s innigste umarmt von
Euerer
alten Mutter
Lotte.