Ernst Haeckel an Wilhelm Engelmann, Jena, 15. März 1870
Jena 15 März 70
Mein lieber armer Freund!
Ich brauche Ihnen nicht mit vielen Worten zu versichern, wie tief mich Ihr schweres Schicksal ergriffen hat. Sie wissen, wie sehr ich Sie schätze, welchen Antheil ich an Ihren Geschicken nehme, und wie sehr ich grade diesen Schmerz mit Ihnen durchempfinden kann. Habe ich doch dasselbe schwere Geschick, welches damals mein ganzes Lebensglück knickte, selbst durchmachen müssen, und weiß daher aus eigenster Erfahrung, wie trostlos und öde die Welt nach dem plötzlichen Hinscheiden der geliebten Frau erscheint. ||
Andrerseits kann ich Ihnen aber auch aus eigener Erfahrung den Trost spenden, daß die heilende Kraft der Zeit stärker ist, als man unter den traurigen Umständen glauben kann. Ich habe mich aus der Tiefe des Unglücks rascher empor gearbeitet, als ich für möglich gehalten hätte, und genieße jetzt das Dasein und die Befriedigung der wissenschaftlichen Thätigkeit wieder in einem Grade, den ich für unwiederbringlich verloren hielt. Freilich kann ich das unersetzliche Verlorene nicht vergessen.
Aber a dessenungeachtet bin ich zufrieden, wieder eine glückliche Existenz in anderer Weise gewonnen zu haben. ||
Möge auch an Ihrem bitteren Schmerze die heilende Kraft der Zeit sich recht bald und kräftig bewähren. Als schöne Andenken an die Dahingeschiedene sind Ihnen ja die beiden lieben Kinder geblieben, denen ich von Herzen glückliches Gedeihen wünsche.
Mit aufrichtigster Theilnahme und in unveränderter Freundschaft
Ihr treuer
Haeckel
a gestr: deßhalb