Ernst Haeckel an Herman George Scheffauer, Jena, 1. August 1916
Jena 1. August 1916.
Lieber Herr Scheffauer!
Für Ihre freundlichen Mitteilungen und besonders für die vortrefflichea Englische Übersetzung meiner Vorwörter zur „Ewigkeit“ sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank! Wenn Sie mir noch einige Exemplare der betreffenden Nummer derb geschätzten „Continental Times“ senden können, werde ich Ihnen sehr dankbar sein! Ich wiederhole den Ausdruck meines Bedauerns, dass der „Truth-Seeker“ (New York) Ihnen mit der Englischen Übersetzung der „Eternity“ zuvorgekommen ist. Ich habe keinen der verschiedenen Editoren von Journalen, denen ich mein Buch „Ewigkeit“ geschickt hatte, die besondere Autoriation zur Übersetzung erteilt; habe auch von keinem irgend ein Autor-Honorar erhalten.
Ihr freundliches Project, eine Englische Gesamtausgabe meiner „Sämtlichen Werke“ zu veranstalten, ist für mich sehr ehrenvoll, aber praktisch leider unausführbar. Schon vor 4 Jahren hat ein Amerikanischer Publisher (1912) – Mr. Robert Belford (Los Angelos, California, 919 Homer Langle) – der für meine Lebensarbeit sehr viel Interesse hatte – mir den Plan mitgeteilt, eine umfassende „Memorial Edition de Luxe of Ernst Haeckel’s Works“ zu veranstalten. Er hat aber diesen Plan ganz aufgegeben aus folgenden Gründen:
– 1. Die grosse Mehrzahl meiner Arbeiten (dem Umfang nach mehr als ¾) sind biologische Spezial-Arbeiten, besonders die 4 grossen Monographien (1. Radiolarien, 2. Spongien, 3. Medusen, 4. Siphonophoren) illustriert mit mehr als 300 kostspieligen Tafeln. Der grössere Teil von 1, 3, 4, ist bereits englisch in den „Reports of H.M.S. „Challenger“ publiciert. ||
– 2. Die kleine Zahl meiner Schriften, die nicht spezialistisch sind, sondern populär, für einen weiten Leserkreis bestimmt, sind im Verlage verschiedener Editoren erschienen (G. Reimer, C. Fischer, A. Kröner, W. Engelmann.) – ebenso auch die Englischen Übersetzungen derselben; so: 1. Natürliche Schöpfungsgeschiche. – 2. Anthropogenie, 3. Welträtsel – 4. Lebenswunder – 5. Indische Reise (Ceylon) 6. Malayische (Insulinde). Ebenso eine Anzahl kleinerer Schriften.
– 3. Ein Teil dieser lesbaren Werke ist im Besitze von Editoren, welche mir ein festes Honoror gezahlt haben; sie würden auf ihr Eigentumsrecht schwer verzichten.
– 4. Ein Teil derselben Werke ist bereits veraltet und durch neuere bessere Arbeiten ersetzt.
– 5. Einige meiner wichtigsten Arbeiten (Generelle Morphologie – Systematische Phylogenie –) sind nicht illustriert und entbehren daher des allgemeinen Interesses.
Wenn Sie mir noch einmal die Freude Ihres Besuches in Jena machen (– hoffentlich –), werde ich Ihnen gern alle Verhältnisse mündlich auseinandersetzen.
Wenn ich 20 Jahre jünger wäre, würde ich gern noch einmal versuchen, eine solche (gut illustrierte!) Gesamt-Ausgabe der lesbaren und populären Schriften zu veranstalten. Jetzt (mit 82 Jahren!) ist es leider für mich zu spät!! –
Der schreckliche Weltkrieg, dessen Ende noch gar nicht abzusehen ist, wirkt lähmend auf alle Unternehmungen! Ich fürchte, dass nach dem Friedens-Schlusse- Wann? Wie? Wo? –) die traurigen Folgen der Kultur-Zerstörung ungeheuer sein werden!
Mit herzlichen Grüssen ( auch an Ihre liebe Frau)
treulichst
Ihr alter
Ernst Haeckel.
a korr. aus: vortreffeliche; b gestr.: Ihrer; eingef.: der