Otto Hamann an Ernst Haeckel, Göttingen, 31. Januar 1883
Göttingen, 31.I.83.
Hochverehrtester Herr Professor,
Ich erlaube mir sofort die Anfrage zu beantworten und sage zugleich vielen Dank, dass Sie Sich meiner noch so erinnern.
Nicht gern würde ich über Göldi etwas Nachteiliges schreiben, doch da demselben das Glück zu Teil werden soll, sich in Jena habilitiren zu dürfen, halte ich für Pflicht, soviel ich weiß, Ihnen mitzuteilen.
Als ich schon längere Zeit in Neapel || war, kam eines Tages Arnold Lang, mit welchem ich durch Ihre Empfehlung näher bekannt geworden war, mit einem Briefe, welcher aus Jena von Göldi geschickt war. In demselben teilte er Lang mit, dass er sich hierher gewendet habe und auch bereits in einem Mädchenpensionat eine Lehrerstelle erhalten habe. Auch habe er Grüße an Prf. Hertwig von Lang ausgerichtet, one dass er dazu befugt war. Lang sagte, er halte es für seine Pflicht, mich vor Göldi zu warnen, und mir Näheres über seinen Lebenswandel mitzuteilen, da derselbe in Jena jedenfalls in Kurzem ähnliche Sachen vollfüren werde. Ich schrieb in Folge dessen in einem Brief an Pohle, worin ich mich erkundigte, ob nicht eine Nach-||richt aus Ceylon über Ihr Befinden angekommen sei, dass man sich vor Göldi in Acht nehmen soll, da es ein versumpfter Kerl, wie Lang sich ausdrückte, sei.
Göldi hatte in der Station den Schweizer Tisch erhalten, obgleich er ich glaube im zweiten Semester war. Statt jedoch zu arbeiten, hatte er sich mit den liederlichsten Frauenzimmern herumgetrieben, sodass er, nach Langs und anderer Erzälung, sehr krank geworden war. Es sollen Sachen vorgefallen sein, die ich nicht brieflich mitteilen kann. Schließlich wurde es so schlimm, sodass er von Lang bewogen wurde Neapel zu verlassen. Letzterer hat mit ihm jeden Verkehr abgebrochen und kann er besser Auskunft geben || als ich wol in der Lage bin.
Hat nun auch Göldi in Neapel skandalös gelebt, so kann er doch in Jena sich gebessert haben. Wärend ich noch da war, habe ich nicht das geringste gegen denselben gehört; freilich verkehrte ich auch nur mit wenigen. Sollte nichts bis jetzt Schlechtes vorliegen, so würde vielleicht durch die feste Anstellung derselbe neuen Halt bekommen und nicht wieder in das alte Leben zurückfallen. Jedenfalls ist wol sein letztes Betragen das maßgebende.
Ich möchte nicht, Herr Professor, a durch diese Zeilen b irgendwie dem Göldi schaden und bitte Sie, sich bei andren noch näher zu erkundigen.
Indem ich nochmals für das Vertrauen danke, welches Sie noch gegen mich besitzen, bleibe ich wie immer
Ihr dankbarer Schüler
Otto Hamann.
a gestr.: dass; b gestr.: ich