Richard Hertwig an Ernst Haeckel, München, 6. März 1907
PROFESSOR DR. R. HERTWIG
MÜNCHEN, DEN 6. März 1907
SCHACKSTR. 2/3.
Hochverehrter Lehrer! theurer Freund!
Unter den Vielen, die morgen Ihrer in Liebe und Verehrung gedenken, möchte ich als einer Ihrer ältesten und treuesten Schüler nicht fehlen. Bringen doch die Gedenktage, welche Ihnen in so beneidenswerther geistiger und körperlicher Frische zu feiern vergönnt ist, nur meiner wieder von Neuem in Erinnerung, wie sehr ich Ihnen für Ihren Einfluß auf meinen Entwicklungsgang zu unaus-||löschlichem Dank verpflichtet bin.
Als Verfasser der Adresse, welche von Seiten unserer Academie heute an Sie abgeht, brauche in diesem Brief von Ihrer Stellung zum Ganzen der Wissenschaft nicht reden. Nur von dem, was Sie mir waren soll hier die Rede sein. Da a tauchen in meiner Erinnerung die schönen Zeiten auf, wo Sie das unfertige Studentlein mit väterlicher Liebe in Ihr Haus aufgenommen haben, die herrlichen gemeinsamen Spaziergänge auf unseren lieben Jenenser Bergen, die Begeisterung, die Sie verstanden haben mir für eine Wissenschaft einzupflanzen, || die mir aus meiner Gymnasiasten-Zeit als eine der geistlosesten Disciplinen gründlich vergällt worden war.
Und an die schönen Tage denke ich zurück, in denen Sie mich in Lesina und Corsica in die Herrlichkeit der Meeresnatur und die praktische Forschung am Meere einführten. Mit dem herrlichsten Dank für Alles was Sie mir in meinen jungen Jahren und auch später stets gewesen sind, verbinde ich meine und meiner Frau allerbesten Glückwünsche zu Ihrem Ehrentag. Wie mir Ihr Walther auf meine Anfrage hin mitgetheilt hat, || ist es mit der Reise ultra monte noch Nichts geworden. Ich denke aber, daß Sie doch noch zur Reise sich entschließen und dabei München passiren werden. Dann hoffe ich Sie hier zu sehen. Wir bleiben in den Osterferien hier; nur falls gutes Wetter eintritt, wollen wir 14 Tage während der Osterferien der Kinder nach unserem Waldhaus in Schlederlohe übersiedeln. Wenn Sie uns dort besuchen wollten, würden Sie Gelegenheit finden, tiefsten Waldfrieden und herrliche Aussichten zu genießen.
Zum Schluß noch ein Vivat, floreat crescat Ihrem phyletischen Museum und seinem Begründer.
In alter Treue und Verehrung
Ihr dankbar ergebener
R. Hertwig
a gestr.: gehen