Willy Kükenthal an Ernst Haeckel, Messina, 15. März 1896
LABORATORIO
ZOOLOGIA E ANATOMIA COMPARATA
DELLA
R. UNIVERSITÀ DI MESSINA
Messina d. 15. März 96
Sehr verehrter Herr Professor!
Seit 3 Tagen sind wir nunmehr in Messina und haben bereits gestern und heute erfolgreich gefischt. Im Hôtel Trinacria sind wir ganz vorzüglich aufgehoben. Eine alte deutsche Kammerjungfer, die uns bedient, erinnert sich Ihrer wie Ihrer Frau noch sehr wohl, und schwärmt noch jetzt von Ihnen. Leider haben wir den braven Vincenzo nicht in Nahrung setzen können. Die Verhältnisse haben sich nämlich seit Kleinenbergs Weggange vollkommen geändert. Es ist ein vollständiges zoologisches Laboratorium eingerichtet worden, das Institut hat Präparator || und Diener, eine schöne Barke, alle Fangapparate und da College Ficalbi, ein freundlicher, liebenswürdiger Mann und großer Verehrer von Ihnen, uns alles zur Verfügung gestellt hat, haben wir uns hier an der Universität installirt. Meine Frau, die fleißig mitarbeitet, hat mit mir ein eigenes großes Zimmer bekommen und Römer hat außerdem noch einen Arbeitsplatz im großen Laboratorium. Dort steht auch ein großes Seewasseraquarium, so daß das ganze Institut dem von Neapel nicht viel nachsteht. Die Fülle pelagischen Lebens ist ganz verblüffend. Trotzdem Scirocko wehte, haben wir doch schon eine Unmenge herrlicher Sachen bekommen, Heteropoden, Coelenteraten etc. Besonders interessant waren mir die pelagischen Cephalopoden, von denen wir in den paar Tagen bereits 6 Arten erbeutet || haben, darunter eine außerordentlich seltene, lange Loligopsis. Römer ist ganz selig und schwelgt wie ich im Anschauen dieser uns ganz neuen Thierwelt. Vorzügliche Dienste leistet uns das Formol in Seewasser (1%), Siea werden überrascht sein, wenn Sieb die großen, wie lebend aussehenden Medusen und Siphonophoren erblicken werden.
Unsere Reise bis hierhin war recht von Glück begünstigt. Von den Unruhen wegen der afrikanischen Niederlage werden wir nur so viel gewahr, daß es uns als Äußerung regen politischen Volkslebens interessirte. In Neapel war starker Wind, der sich am Tage unserer Abfahrt zum Sturm steigerte, so daß ich vorzog, die c neue Bahn zu benutzen, die in kurzer Nachtfahrt von 12 Stunden nach Messina fährt. Der betreffende Dampfer hatte eine gehörige Verspätung, und ich bin jetzt froh, || daß ich meiner Frau eine Reihe doch immer unangenehmer Stunden erspart habe.
In der zoologischen Station von Neapel waren wir nicht, da ich mich nicht allzusehr nach einem Wiedersehen mit Dohrn sehne, doch trafen wir einige Bekannte in einem Restaurant, darunter natürlich auch den Philosophen Driesch im Herbst.
Der Gesundheitszustand meiner Frau ist soweit ganz befriedigend, leider hustet sie noch immer, doch hoffe ich, daß die warme, ja heiße Witterung, die wir hier haben, sie bald gesund machen wird. Ich wünsche von Herzen, daß es auch Ihrer Frau Gemahlin bald wieder recht gut gehen möge und verbleibe mit den besten Grüßen an Sie beide auch von meiner Frau und Römer
Ihr getreuer
W. Kükenthal.
a korr. aus: sie; b korr. aus: sie; c gestr.: Ba